Die Clubsurfer
Berichte


Clubsurfer on Tour: Reisebericht Kiel

Auf der neuerlichen Tour der Leiden war für den 08.09.01 der Auswärtsauftritt der himmelblauen Fußballrastellis in Kiel angesetzt, einer Stadt, die der Sportenthusiast wohl eher mit Handball, Surfen, Segeln oder Wettangeln verbindet. Fußball gespielt wird da auch, also gut. Im Vorfeld des Spieles stand recht schnell die Idee, das Rasengestolpere der Pseudoprofis mit einem langen Wochenende an der Ostsee zu verbinden. Und damit auch die Historiker unter den Fußballfans nicht zu kurz kamen, hatte mit Erwin Helmchen der beste Stürmer der Chemnitzer Fußballgeschichte vor Jahrzehnten seinen Wohnsitz in besagte Stadt verlegt, wo er vor ziemlich genau 20 Jahren auch verstorben und begraben worden war. Er, der doch seine letzte Ruhe in der Fischerwiese finden wollte.
Mit diesen ersten Eindrücken und den durchweg miserablen Wetterprognosen, die pausenlosen Regen und dazu an der Küste auch ne' ordentliche Mütze Wind prophezeiten, wurde die Kiel - Tour in Angriff genommen. Los gings dabei schon am Freitag in aller früh um 9, stilgerecht an der heimischen FiWi. Denn hier galt es, der auf der Fanpage ausgelobten Aktion "Rasen für Erwin" Gestalt in Form einer Schale voller echter FiWi - Wiese zu verleihen, die an seinem Grab niederstellt werden sollte. In gärtnerisch wertvoller Arbeit lag alsbald das Stück Rasen samt blauer Blume und kleinem Text in jener Schale, ein paar gestellte Fotos für die Presse, ein Schwatz mit dem immer noch jede Ecke des Rasens beherrschenden Dirk Barsikow und dann war für die nächsten Stunden die Autobahn unsere Heimat. Zur kilometermäßigen Halbzeitpause erfreuten wir, dass heißt jenes 11köpfige Konglomerat aus Clubsurfern und Ultras, die Angestellten einer SchnellFussKette nahe Irxleben mit unserer glorreichen, L.I.C.H.T. - überfluteten Gegenwart, denn aufkommende Hungergefühle verlangten danach, erhört und beseitigt zu werden.
Weil uns auch später kein Stau oder gar Orientierungsproblem aufhielt, erreichten wir zielsicher noch unter hellem Tageslicht den uns als Ziel bestimmten Zeltplatz, welcher vor unserer Ankunft eine Oase der Ruhe und eine Idealvorlage für ein Abziehbild zum Thema spießiger Dauercamperplatz war. Selbst der Zeltplatzwart freute sich über die Ankunft zahlender Kundschaft, ein Gemütszustand, der alsbald in entgleitende Gesichtszüge übergehen sollte, erlaubten wir uns doch, seinen unvollständigen und außerdem ohnehin nicht zu verstehenden Stellanweisungen für unser federleichtes Basis - Wohnmobil derart Folge zu leisten, dass seine Zeltplatzwiese nach ersten sanften Lenkmanövern einem mehrspurigen Schlammbiotop ähnelte. Was sagt er aber auch "ganz oben dann rechts halten"?! Naja, damit war uns auf jeden Fall erst mal die Rolle als Sündenbock für alle möglichen und unmöglichen Missfälligkeiten auf jener Oase der Ruhe für die nächsten Tage sicher und die Campergroupies hatten nun endlich was zum tuscheln.
Noch ehe der große Regen einsetzte hatten wir in weiser Voraussicht alle Zelte den Bedienungsanleitungen entsprechend aufgebaut und fanden uns im Partyzelt wieder, vor der Nase ein in Wallung kommender Grill, der immer rascher lecker Steaks auf den Tisch brachte und somit für allerlei Bier, Kompott und andere Medikamente eine gute Grundlage bildete. Über den Rest der Nacht wird der Mantel des Schweigens gedeckt, was sich sicher mancher Dauercamper, der auch zu später Stunde noch erfuhr, dass Wismut schon immer Sch***** war, sicher schon eher gewünscht hätte.
Die Nacht ging, und der Morgen kam - der zweite Tag, der Tag des Gefechts stand an. Hätte man des Nachts doch einmal ein Ohr aufgetan, wäre einem die Erkenntnis gekommen, dass nach 7 Stunden Dauerregen jener zwar aufgehört hatte, dies aber wohl nur, um nun den ebenfalls angekündigten Stürmen Platz zu machen. Entsprechend sah am Morgen auch unser Schlammbiotop aus. Unser Partyzelt hatte sich entschieden, fortan eine neue Rolle in zerlegter Form zu spielen, noch dazu an einem völlig neuen Ort. Einige gute Dutzend Bierdosen, diverse Plastebestecke, Grillkohlen, Campingstühle, Müll, Kippen, Kompottflaschen, Papierstapel von McDoof, einzelne Tische und die Schlackerückstände aus später notentsorgten Grills gaben der frühmorgendlichen Szene einen schmissigen germanischen Charakter wie dem Teutoburger Wald nach der Schlacht gegen die Römer. Ein frühtrunken aus dem Wohnwagen kippender Expeditions - Teilnehmer beschrieb die Szenerie kurz und bündig mit den gelallten Worten "Asozialer Chemnitzer FC". Wie recht der junge Mann doch hatte !!
Weil wir den Zeltplatzwart aber lieb hatten, beseitigten wir die größten Müllstellen, erfreuten uns eines immer sonniger werdenden Tages und beschlossen als erstes, uns mal die nur 5 Minuten entfernte Ostsee zu geben. Auf dem Weg dahin trafen wir unseren Zeltplatzwart, der uns sogleich wortreich liebkoste, indem er uns für aufgebrauchtes Toilettenpapier und benutzte Feuerlöscher verantwortlich machte. Weiß der Geier wer ein Feuer zu löschen hatte, bei uns pisste der nächtliche Regen jedes Feuer aus. Die Ostsee enthielt dann trotz des Sturmes jede Menge Wasser, die Sonne tat ihr übriges und schon war jegliches Mistwetter der letzten Nacht vergessen. Auf dem Rückweg zum Schlammbiotop dann ein neues Kapitel aus des Zeltplatzwartes Buch "Die böse Jugend von heute": Diesmal wurden wir verdächtigt, den Schlüssel zu seinem Büro abgezogen zu haben, der sich übrigens später in den Abgründen seiner verlotterten Hosentasche wiedergefunden haben soll.
Derart belustigt enterten wir nun die Autos, guggtn zunächst noch kurz bei einem Leuchtturm vorbei, den zu ersteigen aber wegen des starken Windes (häh?) verboten war. Einer von den Ultras erkannte weibliche Passanten als "Mutti" und präsentierte aus dem fahrenden Auto sofort einen zünftigen Doppelhalter, den auch Nicht-Muttis unter die Nase gehalten bekamen. Weil unser eigentliches Ziel aber die Gärtnerschule des Holzbeinstadions war, lenkten wir unsere Schritte nun also zum Ground der Störche, wo bereits jede Menge grün gekleideter Gärtnerhilfen warteten, um uns nach dem Kartenkauf sogleich auf korrekte Arbeitsmaterialien für den bevorstehenden Gärtnereinsatz am Rand des Fußballkicks hin zu untersuchen. Probe bestanden, auch der Aufrührer durfte mit rein und von jenen ersten Minuten am KSV - Stadion ist nur noch das Bild eines einsam vor dem Stadion wartenden Kürbisses geblieben, den sein Besitzer anfangs den anwesenden grünbehosten Gärtnern für 5 Maack verkaufen wollte und der später von jenem als gestohlen gemeldet wurde. Fähnchen an den Zaun gebaumelt, bekannten Gesichtern die Vorderpfote geschüttelt, das Imbißangebot überprüft und dann ob der noch vielen Zeit bis zum Anpfiff ein zünftiges Sonnenbad am Blockzaun eingeschoben. Dann der Anpfiff, der den Angelpunkt des ganzen Wochenendes starten sollte. Tat er auch, nur ist inzwischen genug zu dem abermals gescheiterten Versuch unserer himmelblauen Heroen, ein erfolgreiches Fußballmatch zu fabrizieren, gesagt worden.
Da dieser Bericht aber von den schönen Seiten des Wochenendes erzählen soll, gehört derzeit ein Spiel des CFC einfach nicht dazu. Pünktlich zum Schlußpfiff standen also alle Protagonisten im strömenden Regen, vor allem die auf den Rängen der Gärtnerschule, denn die Profis hatten ja den längsten Sprint des ganzen Spieles hingelegt, als sie, Ausnahmen Torsten Bittermann und Holger Hiemann, mit dem letzten Pfiff schon in der Kabine verschwunden waren. Dank "Fanclub Wolle" war irgendwann auch der letzte Diskussant aus dem Stadion geräumt und bei einem ersten Bier am Auto durchmischten sich Resignation, Wut, und abgrundtiefe Enttäuschung gegenseitig.
Die vergebliche Suche nach Möglichkeiten zur sofortigen Besserung einer tief depressiven Stimmung ergab sich erst durch die zaghaft durchlugende Sonne und fertige Steaks auf dem neu angeworfenen Grill auf dem Zeltplatz. Der bald schon von weitem drohende Abend sah dann unsere Reisegesellschaft schizophrene Züge annehmen, zwei Herzen schlugen ach in unsrer Brust. Die Einen kümmerten sich in den folgenden Stunden rührend um die vielen bislang allein gebliebenen und von der Umwelt nicht beachteten Bier- und Kompottvorräte, ehe diese ob der latenten Nichtbeachtung erst depressiv werden konnten. Die Anderen wollten diesem sozialen Ansinnen zumindest nicht im Weg stehen und kurvten also abermals los, diesmal ins Kieler Stadtzentrum. Kiel an sich ist gekennzeichnet von vielen breiten, meist leeren Straßen auf Südringniveau, einem Hafen, jeder Menge Klinkerhäuser, einer äußerst "ansprechenden" Architektur aus den 50er bis 70er Jahren und kaum einer wirklichen Altstadt. Dafür gibt es einige ganz nette Kneipen, stellvertretend seien die "Sportsbar", in der wir zur Abrundung der sportlichen Niederlage auch noch die letzten Minuten des Basketball - Halbfinales gegen die Türkei genießen und dabei eine nett anzuschauende Kellnerin (viele Grüße an Patricia) bemerken durften, das "Kieler Brauereihaus" und die "Traumfabrik", die wirklich leckere Pizza serviert, genannt.
Zurück auf dem Zeltplatz befremdete uns kurzzeitig die verdächtige Ruhe in unserem Schlammbiotop. Der Rest wird doch nicht von den depressiven, unbeachteten Bieren angesteckt in einen tiefen Schlaf gefallen sein? Nein, war man nicht, vielmehr reifte die Erkenntnis, daß des Nachts das Tor zum Strand ordnungsgemäß verschlossen und daher ein Ausweichweg über einen hernach nicht mehr ganz den DIN - Normen entsprechenden Drahtzaun nutzbar ist. Die kleine, aber feine Party am Strand war denn auch schick, zumal wir nochmals mit neuem Bölkstoff aufwarten konnten. Irgendwann merkten wir aber, dass des Nachts am Strand immer nur der eine Film, mit den kleine Wellen die ans Ufer schwappten, gezeigt wird. Auf dem Rückweg ins Bett hatten ein paar von uns noch eine unheimliche Begegnung dritter Art mit diversen holsteinischen Masten.
Am nächsten Morgen riß uns die sanfte Stimme unseres Zeltplatzwartes aus allen Träumen, welcher meinte, die Fahnen seien in ner' viertel Stunde wieder da, sonst hole er die Polizei. Häh? Was iss denn nu? Fahne? Weckdienst? Hatten wir doch gar nicht bestellt! Vielleicht ist der Weckdienst in den horrenden Campgebühren enthalten, die wir bei der Anreise entrichtet hatten? Ach ja, an dieser Stelle gelang denn auch Einigen die partielle Erinnerung an den vorigen Abend, wo diese unheimliche Begegnung der dritten Art mit diversen Masten stattgefunden hatte. Zum Zeichen des ehrenvolllen Tausches hatte man sogar wertvolle Geschenke am Handlungsort hinterlassen. Einzig der Platzwart wusste den Tausch nicht zu würdigen, und deutete die Dosen aus Wernesgrün kompromisslos als schwerwiegende Beweisstücke. Naja, einmal wach und nüchtern von der nicht gerade umwerfenden Schönheit der Schleswig - Flagge überzeugt, entschlossen wir uns, in Ruhe zu packen und dem Chef in der Rezeption seine für das vollständige Bild des spießigen Camperplatzes wichtige Beflaggung bei der Abreise rückzuverabreichen. Leider war jener Herr aber von manischer Ungeduld ob unserer Entscheidung befallen und so kam er denn wenig später mit zwei freundlichen Ordnungshütern zurück, die ob der Tatsache, dass sie zu einem Diebstahl, bei dem gar nichts abhanden gekommen war, gerufen worden waren, begeistert abzogen. Da auch wir kurz darauf das Weite suchten, bleibt festzuhalten, dass nunmehr, sieht man davon ab, dass die Zeltplatzgroupies wohl noch auf Wochen Gesprächsstoff haben werden (Zitat: "ja, wenn die Polizei hat kommen müssen, dann haben die jungen Leut sicher wirklich was ausgefressen"), wieder Ruhe und Ordnung in das kleine Reich am Falckensteiner Strand eingezogen ist.
Während dort also wildeste Gerüchte über den unliebsamen Besuch kursierten, besuchten wir ein leuchtendes, großes M zwecks Frühstück. Hier könnte jetzt die ausführliche Beschreibung des "McDoof - Pärchens of the weekend" erfolgen, aber das würde wohl in jeglicher Hinsicht den Rahmen dieses Berichtes sprengen. Vor uns lagen nun noch zwei Tagesordnungspunkte. Zum einen wurde nun endlich die Aktion "Rasen für Erwin" beendet, indem wir sein Grab in Kiel - Elmschenhagen besuchten. Mehr dazu gibt's hier auf der Fanpage zu lesen. Die letzte Aktion diente dann schließlich dazu, das Image des voll verblödeten und geschichtlich - kulturell desinteressierten Fußballfans zu widerlegen, denn wir enterten das Marine - Ehrenmal in Laboe. Das U-Boot 995, unzählige Schiffsmodelle und Schlachtaufstellungen, viele Ehrenkränze und Flaggenausstellungen boten einen eindrucksvollen Einblick in die deutsche Seefahrergeschichte, während der zu erklimmende Mahnmals - Turm einen eindrucksvollen Ausblick auf die Kieler Bucht und die Förde bis hinein nach Kiel bereithielt.
Einen runden Abschluß bekam die Tour durch einen vornweg hässlichen Bus mit dem Kennzeichen ASZ, der nach fünf Minuten mit deutlich verbesserten Outlook in Form von Dutzenden "I love Chemnitz" - Aufklebern in der geilsten Stadt der Welt als Bus des Jahres 2001 durchgegangen wäre.
Dann die Rückfahrt, wo sich hinter Hamburg zuerst der Regen und dann immer mehr andere motorisierte Verkehrsteilnehmer zu uns gesellten, bis wir gemeinsam bei Soltau im Stau standen, eine erneute Rast in einer Burger - Bude, bei der auch notorische Ablehner ob des überragenden Hungergefühls zu Freunden dieser Esskultur wurden und schließlich die Rückkehr nach Chemnitz in den späten Abendstunden des Sonntags, womit das Wochenende grad noch so pünktlich beendet wurde.

Fazit: Eine feine Tour, leckere drei Tage mit integrierten Spassfaktor hoch drei - das einzig Störende war wie immer der CFC - Kick, der den Gesamteindruck (wie erwartet) nachhaltig störte.

Es berichtete Micha

Bilder: