Spielbericht

9. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2003/2004
1. FC Dynamo Dresden
1. FC Dynamo Dresden
2:0
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC

Kampfstarker CFC schenkt in Dresden drei Punkte weg

von Frank Neubert

Eigentlich könnte man sich den Bericht aus Dresden glatt sparen, und einfach sagen - es war alles wie immer. Oder besser: Wie immer in Dresden. Der Club hielt sehr gut mit, hatte die besseren Einschußmöglichkeiten - und trotzdem duselte sich Dynamo zum Sieg. Wie immer eben. Eine stattliche Kulisse auf beiden Seiten war ebenfalls, wie immer, vertreten. Auch die Ultragruppierungen beider Seiten hatten sich, wie immer, eine Bastelschlacht um die bessere Choreo und die bessere Stimmung geliefert. Die Zaunfahne der "Hooligans Elbflorenz" hing links neben der Tribüne, wie immer, obwohl "H"-Fahnen in deutschen Stadien eigentlich abgeknüpft werden. Und, weil's in Dresden halt dazugehört, gab es pünktlich zum Sachsenderby auch den "Tag der offenen Tür" bei der Polizei, bei dem all das schwere Gerät wie Hubschrauber, Räumpanzer, Wasserwerfer, Videowagen, etc. aus der Garage geholt und der staunenden Masse während der Truppenparade auf der Lennestraße vorgeführt wurde. Einzig die Freunde des Eislaufens mußten dieses Jahr auf ihre geliebte Piste verzichten, da diesmal kein Wasser-Marsch!-Befehl erteilt wurde.

Und obwohl es eigentlich nix Neues zu erzählen gibt, wollen wir mal der Ordnung halber, wie immer halt, ein paar Zeilen zum Auswärtsspiel unserer himmelblauen Götter bei den Unguten von der Elbe verlieren. Für den CFC stand mit dem Kick an der Elbe das zweite Sachsenderby vor der Tür, nachdem man zum Auftakt in Leipzig mit 2:0 auswärts siegen konnte und damit gleich den Grundstein für die eindrucksvolle Auswärtsbilanz von 10 Punkten in 4 Spielen legen konnte. Nach den abwehrstarken und effizienten Auswärtsauftritten hab es keinen ersichtlichen Grund, weshalb die Rohde-Taktik nicht auch in Dresden aufgehen sollte. Die vielen netten Nebengeschichten von Spielern und Trainern, die für beide Teams schon gegen den Ball getreten haben, sparen wir uns an dieser Stelle mal und überlassen diese den Sportäksperten vom MDR. Aus Fansicht eher interessant war der Aufruf des Dresdner Fanprojektes an die eigenen Fans, nach dem Spiel freiwillig 30min länger im Stadion zu verweilen, um bürgerkriegsähnliche Szenen wie beim letztjährigen Abmarsch der CFC-Fans zu vermeiden. So löblich dieser Ansatz war, so erschreckend war die tags zuvor durch die Presse eilende Meldung, daß die Polizei 48 Stunden vor dem Match bei einer Suche in Gullis versteckte Hieb- und Stichwaffen gefunden und eingezogen hatte. Aus diesen Gründen und den Szenen des Vorjahres kamen diesmal nur ca. 1.200 Chemnitzer mit nach Dresden. Bevor diese jedoch in den Gästeblock durften, mußte noch 1 Eu Topzuschlag (!) gezahlt werden - klar doch, für den schwarzgelben Haste-mal-ne-Mark-Verein tut man dies doch gern, und die Frauenkirche ist ja auch noch nicht ganz fertig.

Ein Fahnenmeer in blau und weiss.Kurz bevor der Ball ins Rollen kam, gab es das Choreo-Duell zwischen beiden Heerlagern. Die vor dem Spiel im Chemnitzer Block verteilten 1.000 blau/weissen Fahnen wehten im gerade auffrischenden Wind flatternd und knatternd dahin und am Zaun prangte das Riesentranspi "Himmelsstürmer". Schicke Vorstellung! Die Dresdner Seite bot einen gelb/schwarz/gelben K-Block, wo in der Mitte ein Hundekopf und links und rechts geballte Fäuste zu sehen waren. Am Zaun stand "Wenn wir wollen, fressen wir euch auf" und dann wanderte je eine Papptafel mit dem CFC-Logo und eine mit dem Sign der SkyStrikers ab ins Hundemaul. Über Geschmack läßt sich bekanntlich streiten, aber daß ausgerechnet das Striker-Logo auftauchte, läßt die Geschichte mit der geklauten Zaunsfahne am Rande des Testspiels in Laubegast, als ein Mob von 7 Leuten die alte Strikers-Fahne zockte, im anderen Licht erscheinen. Die Ultras Dynamo hatten sich damals gegen jede Verbindung mit dem feigen Raub gewehrt - sowas würden Dresdner nicht machen...

Die Hauptakteure des Nachmittages ließen sich auf dem grünen Rasen von der Atmosphäre nur mäßig beeindrucken und boten eine geschlagene halbe Stunde lediglich Rasenschach. Für Studierende der Fachrichtung Fußballtaktik sicherlich ein Leckerbissen, aber für den Otto-Normal-Fan eher zum Abwinken. Beide Trainer gaben nach dem Kick auch zu, ihre Truppen anfänglich defensiv ausgerichtet zu haben. CFC-Coach Rohde sah keinen Anlass, die bisherige Erfolgstaktik in fremden Stadien umzustellen, und so sah man Eisen-Karl wie gewohnt an den Schaltknöpfen des himmelblauen Betonmischers, wo der Polier samst seiner Vorarbeiter während der ersten halben Stunde keine einzige nennenswerte Torchance der Dresdner zuließ. Diese wiederum waren von Franke vor den fixen Kontern der Himmelblauen gewarnt worden und sollten daher verstärkt darauf achten, nicht in selbige hineinzulaufen. Eine Antwort auf dieses Patt hatte keine der beiden Mannschaften parat - und somit konnte erst in der 34.min durch Zivic der erste gefährliche Torschuß (knapp neben den Pfosten) verzeichnet werden. Irgendwie muß dies aber der endgültige Wachschuß für Dynamo gewesen sein, denn schon kurz zuvor hatten die Einheimischen angefangen, stärker nach vorn zu drängen. Die Viertelstunde vor der Pause ging klar an Dynamo und der CFC kam völlig unnötig von seinem Spielkonzept ab. In dieser Phase des Spieles gingen im Mittelfeld einfach zu viele Bälle verloren (Mehlhorn, Zivic!) und in der Abwehr schien der kleine Meyer mit seinen Gegenspielern überfordert zu sein. Nach einem Freistoß von Bittermann köpft Jovanovic knapp über den Kasten von Hiemann. Beim nächsten Großangriff der Hausherren befördert Heidrich den Ball an den Pfosten, und im Nachschuß setzt Neubert die Kugel in die Maschen - großer Torjubel im Harbig-Rund. Aber genau vor dem Gästeblock steht der Linienrichter mit erhobener Fahne und deutet (zu Recht) eine Abseitsstellung an. Als in beiden Fanlagern die Unguten noch am Fluchen und die Guten beim Jubeln sind, rollt genau in der 45. Minute der nächste Angriff - die CFC-Abwehr schaut in aller Seelenruhe zu, wie Csik zentral vor dem Tor zum Ball geht und völlig ungestört zu einem Seitfallzieher ansetzt. Der akrobatische Schußversuch kracht ohne Abwehrchance bei Hiemann in die linke Ecke, ohne daß dieser mit der Wimper gezuckt hätte. Na toll, 1:0 für die Unguten - und dies mit dem Halbzeitpfiff. Unnötig wie eine BoFrost-Lieferung zu den Eskimos...

Trainer Rohde soll späteren Berichten zufolge in der Kabine etwas lauter geworden sein - und siehe da, der CFC nahm in Halbzeit 2 sein Herz und das Heft des Handelns selbst in die Hand. Es war mehr als erstaunlich, wie die Himmelblauen jetzt das Spiel bestimmten - etwaige Fragen von vorgestern, die sich um den Verlust von Tchipev's spielgestaltenten Potential drehten, konnten getrost ad acta gelegt werden. Biermann agierte wie ausgewechselt und konnte sich auf einmal gegen seine Gegner durchsetzen. Zivic, und später auch Schindler, ackerten im Mittelfeld und vor allem Prymula riss mit seiner überragenden Schnelligkeit über die rechte Seite sehr viele Löcher in die dynamische Abwehr. Bereits in der 47.Minute hätte es eigentlich 1:1 stehen müssen! Biermann kommt nach Zivic-Freistoß frei zum Kopfball und setzt diesen aus 5m über die Querlatte. Das kollektive Stöhnen und Hand-an-den-Kopf-Klatschen im Gästeblock sollte genau noch dreimal erfolgen und jedesmal sollte Biermann der Antiheld sein, der jeweils eine Hundertprozentige vergab (59.min Kopfball, auf der Linie geklärt / 72min. Kopfball, Kresic mit großer Parade / 82.min Flachschuß, Kresic im Fallen angeschossen). Die Kenner der bisherigen Auswärts-Effektivität schüttelten nur noch ungläubig mit dem Kopf - eigentlich hätte der CFC im Sachsenderby schon längst mit 3:1 oder mehr führen müssen! Dem war aber nicht so und langsam konnte man im Hintergrund schon das Grunzen des Phrasenschwein "Wer seine Chancen nicht nutzt..." vernehmen...
Die wenigen Konter der Dresdner waren gefährlich angelegt, konnten aber mit Mühe und Not von der Chemnitzer Abwehr unterbunden werden. Sehr auffällig war dabei die permanente Fallsucht der Herren in Schwarzgelb (Jovanovic!), die noch dazu bei ihren künstlerischen Darbietungen in Richtung Schieri lostobten. Dynamo "arbeitete" im wahrsten Sinne des Wortes auf den erlösenden Elfmeter hin - und bei den vielen Aussetzern des Schiedsrichterkollektives (falsche Einwürfe, nicht gegebene Ecken) war zu befürchten, daß der Pfiff irgendwann erfolgen würde. In der 88.min war es dann soweit - Heller stürmt in den Strafraum und touchiert Göhlert (er gab am Zaun leichten (!) Feindkontakt zu), der Dresdner wirbelt regelrecht durch die Luft, um theatralisch zu Boden zu gehen. Elfmeter - endlich war es geschafft. Die letzte himmelblauen Hoffnungen ruhten nun auf Hiemanns Schultern, doch gegen Wagefelds gut platzierten Schuß hatte der Routinier keine Chance. 2:0 und tosender Jubel unter den Dynamo-Anhängern, wutverzerrte Gesichter dagegen im Gästeblock. Es war eine Mischung aus tiefem Frust über die eigenen vergebenen Chancen und dem erschundenen Elfmeter. Das der Drops nun gelutscht war, war jedem klar - Banner einsammeln, Schal festzurren, Abmarsch vorbereiten - und kurz darauf ertönte auch der Schlußpfiff auf dem schmucklosen Harbig-Sportplatz.

Dicke Luft im Gästeblock.Aus Sicht der Fans bliebe noch zu berichten, daß es in Halbzeit 2 im Chemnitzer Block noch eine dicke weisse Rauchwolke gab, eine standesgemäße Uffta inszeniert wurde und die letzten 15 Minuten durchgesungen wurde. Aufgrund der Entfernungen der Fanblöcke wird aber auf beiden Seiten, wie immer, nicht viel voneinander angekommen sein. Auch die Tapetenbahnen mit diversen Sprüchen, welche hüben wie drüben durch die Blöcke wanderten, waren schlecht lesbar. Bei einem konnte auf Dresdner Seite ein Spruch wie "Sachsens größte Schande... Chemnitz... dreckig..." entziffert werden - naja, vielleicht auch besser so, daß es keiner lesen konnte. Niveau sieht irgendwie anders aus. Einzig der Spruch "Karl Marx war ein Auer" konnte ein Schmunzeln hervorrufen. Interessant wäre übrigens die Auer Position zu dieser neuen geschichtlichen Erkenntnis!?
Der Abmarsch gestaltete sich zum üblichen Schaulaufen der Gäste inmitten von Grünen und Gestörten. Trotz der Aufforderung des Dresdner Fanprojektes, 30 Minuten länger im Stadion zu verweilen, bildete sich nach späteren Polizeiangaben ein schwarzgelber Mob von 1.000 Gaffern und gewaltbereiten Fans, die beim Fußmarsch der CFC-Fans entlang der Lennestraße zum Bahnhof mal wieder Spalier standen. Dieses Jahr brauchte allerdings der Wasserwerfer nicht in Aktion zu treten und nach Aussagen Beteiligter war die Anzahl der Dresdner Wurfgeschosse (Steine, Flaschen, Leuchtspur) etwas geringer als im Vorjahr. Trotzdem sind und bleiben es in keinster Weise tolerierbare, chaotische Verhältnisse, da durch solche Umstände nicht nur Dynamo als Verein, sondern der Fußball als Ganzes darunter leidet. Es wird wohl ein ewiges Geheimnis der sächsischen Landeshauptstadt bleiben, wie und wann man diesen Zuständen endlich einmal konsequent zu Leibe rücken wird.

Fazit: Nichts Neues an der Elbe. Der CFC hielt mehr als gut mit und stand am Ende durch eine katastrophale Chancenverwertung mit leeren Händen da. Selbst nach der verschlafenen ersten Halbzeit hätten die Chancen zu 3 Punkten führen müssen! Was bleibt, ist die befriedigende Erkenntnis, daß der CFC sehr wohl genügend spielerisches Potential besitzt, einen Gegner gehörig unter Druck setzen zu können. In der Tabelle ist man mittlerweile im Mittelfeld angelangt - trotzdem sollte man mit dem bisherigen Saisonverlauf nicht unzufrieden sein. Wuschi Rohde hat mit der Truppe trotz der 3 Niederlagen bisher absolut positiv überrascht. Wenn der Club an die zweite Halbzeit von Dresden anknüpft, hat man selbst gegen die Überflieger aus Wuppertal eine reelle Chance. Es wäre für das Selbstvertrauen und die Moral wichtig, und für uns Fans einfach schön, auch zu Hause mal wieder Punkte bejubeln zu dürfen.


Wertung: 2

Beste Himmelblaue: Karl, Ahlf, Prymulla, Biermann

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Pressestimmen

Sächsische Zeitung
Dynamo Dresden gewinnt Derby gegen Chemnitzer FC mit Glück und Geschick [..] Nach einer halben Stunde muckte der gelb-schwarze Fanblock auf. "Langweilig" hallte es durch das Rudolf-Harbig-Stadion. Was Dynamo Dresden und der Chemnitzer FC bis dahin boten, war Rasenschach statt Derby-Kampf. "Beide Seiten haben sehr konzentriert gespielt und hinten die Räume dicht gemacht. Das ist nicht langweilig, sondern taktisch gut", meinte allerdings CFC-Routinier Ulf Mehlhorn. Das sei "Fußball für Kenner". [..] Gegen Chemnitz offenbarte Dynamo nach der Pause "Riesenprobleme bei Flanken und Ecken", wie Csik feststellte. Allein Andreas Biermann hätte die "Himmelblauen" in den siebenten Himmel schießen können. [..] "Dieser Sieg ist vielleicht nicht hundertprozentig verdient, aber wir haben die Punkte", freute sich Csik.

Dresdner Morgenpost
Mutiger Csik redet von der 2. Liga! [..] Andreas Biermann hätte der himmelblaue Held werden können, versiebte aber ein halbes Dutzend Großchancen.

Dresdner Neueste Nachrichten
Dynamo-Heimsieg im Derby: Biermann & Co. ohne Fortune [..] Doch beim 2:0-Sieg am Sonnabend gegen den Chemnitzer FC brauchten die Gastgeber einmal mehr eine große Portion Glück, um das Sachsenderby vor 8150 Fans (darunter 800 aus Chemnitz) für sich zu entscheiden und an den "Himmelblauen" vorbeizuziehen. Davon, den Gegner über weite Strecken zu beherrschen und den "Dreier" zu erzwingen, waren die Schwarz-Gelben weit entfernt, obwohl sich die Chemnitzer beileibe nicht als ein Spitzenteam präsentierten. [..] Während die Dynamos anschließend in der Kabine durchatmen durften, wurde es bei Frank Rohde richtig laut. Der nicht gerade als sanftmütiger Vermittler bekannte Trainer der Chemnitzer faltete seine Mannen zusammen. Als besonders "blind" hatte Rohde Andreas Biermann ausgemacht. "Der war die erste Halbzeit völlig daneben", schätzte "Wuschi" gar nicht wuschlig ein. Doch der 23-Jährige mit dem wasserstoffblonden Schopf "zeigte eine Reaktion und hat sich zwei, drei Chancen erarbeitet", lobte ihn Rohde nach dem Spiel. [..] Pechvogel Biermann hingegen gestand: "Ich bin am Boden zerstört."

Freie Presse Chemnitz
Chemnitzer FC verliert Sachsen-Derby [..] Trotz klarer Chancen für den CFC hatte Dynamo das Spiel immer im Griff und siegte verdient. Hätten die Gäste nicht die erste Halbzeit komplett verschlafen und in der zweiten Hälfte etwas mehr Ordnung im Spiel gehabt, dann wären für die Chemnitzer durchaus ein, vielleicht sogar drei Punkte drin gewesen.

9. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2003/2004
Samstag, 27. September 2003, 14:00 Uhr
Rudolf-Harbig-Stadion, Dresden
Zuschauer: 8.150
Schiedsrichter: Schriever (Otterndorf)
1. FC Dynamo Dresden
T Kresic
A Bittermann
A Oppitz
A Csik
M Langen
M Wagefeld
M Beuchel
M Ziebig
M Heidrich (78. Heller)
M Jovanovic
S Neubert (81. Scholze)

Trainer: Franke
Chemnitzer FC
T Hiemann
A KarlGelbe Karte (78. Lenk)
A Ahlf
A Mehlhorn
M Meyer
M Göhlert
M ZivicGelbe Karte
M Gillert (61. SchindlerGelbe Karte)
S Prymula
S Meissner (65. Rolleder)
S Biermann

Trainer: Rohde
Tore
1:0 Cisk(45.)
2:0 Wagefeld (88./Elfmeter)