Spielbericht

7. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2001/2002
Holstein Kiel
Holstein Kiel
2:1
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC

Und täglich grüßt das Murmeltier...

von Frank Neubert

Was hat man eigentlich als CFC-Fan verbrochen, daß man Woche für Woche das Gefühl hat, im falschen Film zu sein !? Man hat den Film schon hundert mal gesehen, und er wird und wird einfach nicht besser. Ein Dejavu wie es im Buche steht. Eigentlich war auch schon vor Anpfiff klar, das die 2 Stunden Fußball das dreitägige Zeltwochenende im hohen Norden gutelaunetechnisch wieder komplett zerstören würden - wieso gibt man sich das !? Eine Frage, an der wohl sogar Siegmund Freud scheitern würde...
Aber der Reihe nach. Es war das erste Auswärtsspiel unter Matthias Schulz. Und das weiteste für die Fans - immmerhin fanden sich ca. 100 Himmelblaue im Kieler "Stadion" ein. Falls nächstes Jahr dasselbe Duell nochmal steigt, wird man wohl als Aufbauhilfe West bißchen Mörtel, paar Ziegel und ein Dutzend Macheten zum Entfernen des grünen Speckgürtels mitbringen. Beim CFC waren Renn und Meyer weiterhin verletzt, Rolleder von der Zweiten saß auf der Bank, und die Außenbahnen wurden diesmal von Göhlert (links) und Bittermann (rechts) übernommen. Soweit so gut.

Beim Einlaufen der Hauptdarsteller dann der erste gelungene Chemnitzer Auftritt - und zwar von Seiten der Fans. Die Ultras nahmen ihre Kollegen aus dem Norden, die Fast-Food-Kolonne, schwer auf die Schippe, indem man ein fettes Transpi mit der Aufschrift "Bigmäc Schmeckt Eklig" präsentierte, wobei die besonders dick gemalten Anfangsbuchstaben die nette Kombination "BSE" ergaben. Dazu wurde eine Blockfahne aufgezogen, die aus mindestens 15 zusammengetackerten McDoof-Werbefahnen bestand. Feine Sache. Kurz darauf auch Rauchaktionen auf beiden Seiten, die die Gästefans in Masse und Größe klar für sich entscheiden konnten.
Der Schieri ließ die 22 Akteure aufeinander los und überraschenderweise schickten sich die himmelblauen Zweibeiner an, den Ball und den Gegner beherrschen zu wollen. Selbst der Wettergott staunte, und vergaß für die nächste Zeit, dicke Tränen herabzuschicken. Andererseits konnte man im schnieken Hochglanz-Stadionheft nachlesen, daß die vermeintliche Chemnitzer Überlegenheit nicht von ungefähr kam, denn der Trainer des KSV kündigte schon dort an, gegen den CFC defensiv antreten zu wollen, um durch überfallartige Konter zum Erfolg zu kommen. Na toll - hoffentlich hatte man unseren Jungs auch etwas davon erzählt.
Der CFC mühte sich redlich, aber es sah aus wie beim Handball. Immer wieder wurde der Ball um den Kieler Strafraum herumgespielt, von rechts nach links, alles wieder zurück, dann von links nach rechts, aber nie mit durchschlagender Wirkung. Und so agierte man zwar rein optisch feldüberlegen, aber niemals mit durchschlagender Wirkung. Beleg dafür auch die kümmerliche Zahl von nur 2 echten Chancen in den ersten 30 Minuten. Diese waren aber nicht ohne - erst bekommt Krieg den Ball in den Strafraum gepasst, er nimmt an, wird heruntergezerrt, und im Fallen gelingt ihm noch ein Drehschuss neben den Pfosten (18. Minute). Für so etwas hat man auch schon Elfmeter gegeben. Die zweite Chance hatte Mehlhorn mit einem Freistoß aus 30m, wo er sich einmal auf seine alten Qualitäten besann und einen ordentlichen Kracher Richtung Keeper Greil abschickte.
Das war's dann aber auch schon mit der himmelblauen Herrlichkeit, denn nach einer halben Stunde schickten sich die Kieler an, ihre Ankündigungen in die Tat umzusetzen. Der Ball wird von der kompromißlosen Holsteinabwehr nach vorne gedroschen, auf Höhe der Mittellinie verlängert Hardt, und auf einmal ist Guscinus nur noch vor Mehlhorn, der einfach schlecht aussieht und den Glücksschuß aus 20m nicht mehr verhindern kann. Hiemann streckt sich, doch zum Entsetzen der Himmelblauen und zur Freude der Kieler kracht der Ball in die Maschen. Einfach unglaublich, und doch irgendwie symptomatisch. Entnervtes Kopfschütteln unter den Fans, da war es wieder - das täglich grüßende Murmeltier...
Die restliche Viertelstunde dann beiderseitigs Geplänkel im Mittelfeld. Der CFC erstmal damit beschäftigt, die Kieler Führung zu verdauen und die Einheimischen auch eher ratlos, ob man nun dem zittrigen Gegner noch eins reinwürgen oder wie gehabt auf Konter lauern solllte. Der bis auf die Krieg-aktion nicht schlechte Schieri bat pünktlich zur Pause.

In der Halbzeitpause wurde der obligatorische Bratwurst-Test vorgenommen und danach den Landesgepflogenheiten entsprechend ein original Fischbrötchen Marke "Bismarck" gemampft. Letzteres wurde als durchaus empfehlenswert begutachtet.

Zweite Halbzeit. Um die Kieler Ratlosigkeit gegen Ende der ersten Halbzeit zu beenden, hatte deren Trainer Gerd-Volker Schock (Ach der !? War der nicht bei Osna !? Jau!!) jetzt die Marschrichtung geändert - die Norddeutschen bliesen zur Attacke. Gar nicht gut für den angewackelten CFC. Der stand nämlich sofort hinten drin und sah sich den stürmischen Ostseewellen ausgesetzt, die jetzt Richtung himmelblaue Abwehr brandeten. Der Gastgeber nun feldüberlegen und mit dem festen Willen, das zweite Tor zu erzielen. Chancen blieben trotzdem Mangelware. Die CFC-Fans erfreuten mittlerweile die Kieler Zuschauer mit einer netten Uffta, wobei so wertvolle Sätze wie "Baut euch ein Stadion" und "Kauft euch Fans" vorkamen. Auch die Schachter bekamen (wie immer) ihr Fett ab, wobei zu erwähnen ist, daß schon in der ersten Halbzeit ein Plakat auf seiten der Kieler mit der Aufschrift "22.9. - wir warten" auf unerklärliche Weise abhanden ;-) gekommen war.
Dann die 64. Minute - der Ball kommt zu Hauptmann, Guscinas allerdings auch. Der Ex-Kölner kann sich nicht recht entscheiden und verliert sowohl gegen den Ball als auch den Kieler. Der wiederum passt quer auf Schiersand, der völlig frei über die rechte Seite angewackelt kommt und die Pille mühelos zum 2:0 über die Linie schiebt. Klasse, genau so hatten die langjährigen Auswärtsfahrer ihren CFC in bester Erinnerung. Und wieder grüßte das Murmeltier...
Was dann auf dem Rasen folgte, ist eigentlich schnell erzählt. Kiel zog sich in weiser Vorahnung mit dem beruhigenden 2:0 erstmal wieder zurück und Libero Wenschlag drosch ohne Ansehen von Person oder Flugrichtung alles nach vorn, was wie ein Ball aussah. Nicht hübsch, aber effektiv. Der CFC aufgrund der gebotenen Räume nunmehr wieder etwas überlegen, aber ohne echte Chance. Im Gegenteil, das Offensivspiel wurde wie immer zum himmelblauen Offenbarungseid. Walther ohne konstruktives Spiel nach vorn, keine Bewegung in den Spitzen oder auf den Flügeln, sogar der agile Fröhlich ging jetzt in der Masse unter.
Die Fans fingen an Frust zu schieben und es blieb ihnen wie immer nix anderes übrig, als sich selbst zu feiern. Alle Doppelhalter wurden ausgepackt und eine leckere Polonaise durch den Block veranstaltet. Ein Zaunsturm und andere lustige Aktivitäten lenkten wenigstens vom himmelblauen Alibi-Kick ab. Auch die anwesende Fraktion der Grünen hatte ein ruhiges Gemüt und schaute sich ohne eigene Aktivitäten das Tun der CFC-Fans belustigt an. Irgendwie schaffte es dann der CFC, doch noch zwei halbe Chancen zu erspielen, die Meissner per Kopf vergeben durfte. Als dann alle schon tief gefrustet über das 2:0 gegen Ende der Spielzeit anfingen, die Zaunfahnen abzuküpfen, zappelte das Leder völlig überraschend doch noch im Kieler Kasten. Der eingewechselte Podzus flankte von rechts und Abwehrspieler (!!) Mehlhorn war im Tiefflug mit dem Kopf zur Stelle. Hut ab, aber leider völlig nutzlos. Das dachte wohl auch der Schieri, der den Anstoß der Kieler gar nicht mehr ausführen ließ und sofort abpfiff.

Im himmelblauen Fanblock natürlich Frust ohne Ende, wieder eimal war der CFC gegen einen sehr hausbackenen Gegner nicht in der Lage, Punkte zu holen. Schlecht Stimmung, welche auch der auf den Block zusteuernde Bitterman zu spüren bekam, woraufhin er die warme Dusche der verbalen Dusche vorzog. Einzig Hiemann kam bis an den Zaun und mußte sich stellvertretend für seine Kollegen die erregten und teilweise sinnnlosen Sprüche der mitgereisten Fans anhören. Keiner dachte in diesem Augenblick an die Charakterstärke des Keepers, sich überhaupt der Diskussion zu stellen. Hut ab, Holger Hiemann !! Nach 5 Minuten ging es dann auch sachlicher zu Werke, nachdem der erste Ärger erstmal raus war. Später zeigte sich dann auch noch Mannschaftsleiter Müller am Zaun zur Tribüne, worauf dieser auch mit Fragen bestürmt wurde. Antworten wie "Wir können es nicht besser..." zeigten, daß auch die himmelblauen Chefs in tiefer Ratlosigkeit umherwandeln...

Fazit: Wieder vergeigt, wie immer. Das Murmeltier als Dejavu. Feldüberlegene Anfangsphase ohne eigene Torchancen, nach der gegnerischen Führung der typische mentale Zusammenbruch. Auch wie immer. Pure Ratlosigkeit und nur die Hoffnung, daß es irgendwann besser wird. Oder auch nicht, denn mit 7 Punkten gegen die Fußvölker der Liga sind schwere Zeiten förmlich vorprogrammiert. Jeder Fan, jeder Funktionär und jeder Spieler sollte ganz fix von seiner Palme herabsteigen und erstmal den Klassenerhalt als oberstes Ziel in den Kopf einzementieren. Und vielleicht sollte man in diesem Sinne auch wie ein Absteiger agieren, knallharte Abwehr und vorne Konter, zumindest solange, bis die nötigen Punkte im Kasten sind.

Bericht vom "Clubsurfer"-Ausflug nach Kiel

Wertung: 5

Bester Himmelblauer: Fröhlich (bemüht wie immer)

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Pressestimmen

Kieler Nachrichten
Kein Schönheitspreis für Holstein, aber Schocks Taktik ging gegen Chemnitz auf
[..] stand die Holstein-Abwehr sicher, wurde aber auch von den harmlosen Chemnitzern vor wenig Probleme gestellt.

Chemnitzer Morgenpost
Ein Treffer, eine Chance - das wars [..] War gar nicht viel in Kiel! Böse Überraschungen gibts öfter, himmelblaue Wunder dauern wohl etwas länger. [..] Schulz hat das schwere Erbe angetreten, jetzt das zu reparieren, was sein übungsleitender Vorgänger größenwahnsinnig hinterlassen hat.

BILD Chemnitz
CFC: Krasse Fehler - die nächste Pleite

Freie Presse
Mutloser CFC rutscht weiter in den Keller [..] Kaum Torchance, Angst bei jedem Ballkontakt, so gab es gegen Holstein Kiel nichts zu gewinnen. [..] Chemnitz agierte nach vorn zu ängstlich.

7. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2001/2002
Samstag, 08. September 2001, 14:00 Uhr
Holsteinstadion, Kiel
Zuschauer: 2.005
Schiedsrichter: Hennecke (Salzhemmendorf)
Holstein Kiel
T Greil
A Wenschlag
A KopukGelbe Karte
A Hardt
A Rose
M Treptow (85. Ilski)
M Schiersand
M Rohwer
S Guscinas
S Marin
S Jurgeleit (75. Pukaß)

Trainer: Schock
Chemnitzer FC
T Hiemann
A HauptmannGelbe Karte
A Bittermann
A Ratkowski
A MehlhornGelbe Karte
M Walther (66. Podszus)
M Göhlert
M Tchipev
M Fröhlich
S Krieg
S Meissner

Trainer: Schulz
Tore
1:0 Guscinus (30.)
2:0 Schiersand (64.)
2:1 Mehlhorn (90.)