Spielbericht

28. Spieltag - 2. Bundesliga - Saison 1999/2000
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC
1:3
FC St. Pauli
FC St. Pauli

Big Points verschenkt

von Ronny Licht

Gute Freunde zu finden, ist schwer. Für den FC St. Pauli dürfte sich deshalb die Reise in den tiefen Osten gelohnt haben - die Braun-Weißen vom Millerntor holten drei wichtige Punkte im Abstiegskampf. Fanden hier einen engen Freund (Schiri Hufgard) und stürzten eine ganze Region in eine Mischung aus Wut, Verzweiflung und Enttäuschung.

Dabei begann (fast) alles so schön. Die Fans waren heiß ("Dortmund kann kommen" im Block 5, überdimensionale CFC-Buchstaben im Block 7), Sprecher Olaf Kadner sorgte wie immer für gute Laune. Der CFC (ohne Peer Kluge) sorgte von Anfang an für Druck, von den Rängen kam richtig Power. Der erste Schock aber dann in Minute 7: Markus Marin flankt in den Strafraum, Fabian Gerber erwischt das Leder am langen Pfosten und versenkt es zum überraschenden 0:1. Jubel in der Pauli-Kurve, Mega-Frust auf den Rängen - beim Marin-Schuß standen zwei Paulianer im Abseits. Ob passiv oder nicht - darüber streiten sich heute noch die Experten...

Überraschend allerdings die Reaktion der Himmelblauen: Sie bäumten sich sofort gegen den Rückstand auf, machten weiter Druck. Und wurden schon acht Minuten später belohnt. Dittgen schickte Krupnikovic, der lupfte den Ball wunderschön über den herausstürzenden "Fliegenfänger" und Bald-HSVer Carsten Wehlmann. 1:1 - die Welt an der Gellertstraße war wieder in Ordnung. Danach leichtes Übergewicht der Chemnitzer, Pauli nur bei Kontern gefährlich. Skela und Krupi zauberten teilweise. Schön anzuschaun - eine Führung brachte das aber nicht.

Was in den darauffolgenden 15 Minuten geschehen ist, wissen wohl nicht mal die Spieler. Geisterbeschwörung? Schlaftabletten im Pausen-Elektrolyt-Getränk? schwarze Magie? Oder Angst, weil man nicht auf die Südkurve spielte? In einer ganzen Viertelstunde wurde das wacker kämpfende CFC-Team in einen Haufen verstörter, unsicherer, lauffauler Spieler "verwandelt".

Bitteres Ergebnis des Verwandlungs-Prozesses: In Minute 46 bekommt Jörg Weber - als "High Tower" in Halbzeit 1 eigentlich äußerst passabel - weder seinen Körper noch den Ball unter Kontrolle, Ivan Klasnic nutzt das aus 6 Metern - 1:2. Doch wer jetzt dachte "Na gut, dann läuft´s halt wie in der ersten Hälfte" wurde bitterlich enttäuscht. Blindes Ball-nach-vorne-Schlagen und konzeptloses Anrennen gegen eine gut stehenden St. Pauli-Mannschaft brachten schlicht und ergreifend gar nix. Vor allem die Herren Weber, Bittermann, Dittgen und der eingewechselte Tetzner (der jetzt gerne in die Bundesliga wechseln darf...) völlig von der Rolle - obwohl, eigentlich sollte man gar niemanden nennen. Skela versuchte wenigstens ab und zu noch sowas wie Konstruktivität reinzubringen - die Versuche wurden in der 60. Minute vom eigenen Trainer unterbunden, Ervin ausgewechselt. Warum auch Jens König (der wenigstens noch kämpfte) raus musste, bleibt wohl das ewige Geheimnis von Christoph Franke. Genauso wie die Antwort auf die Frage, warum zum Schluß drei "Möchtegern"-Stürmer alias Dittgen, Kunze und Ullmann allein verlassen vorm gegnerischen Strafraum rumstehen "durften". Auch neu: Die Ränge reagierten lange Zeit statt mit Pfiffen mit einem Schweige-Konzert.

Dann die 85. Minute. Freistoß St. Pauli, 18 Meter halbrechts vorm Strafraum. Polunin läuft an, Ananiev mit einer Glanzparade glasklar auf der Linie geklärt. (Zur Erklärung: Der Verfasser dieser Zeilen stand genau auf der Höhe der Torlinie.) Schiri Hufgard blickte auf seinen Linien-Assi, der hob zögernd sein Fähnchen - und Hufgard trällerte in sein Pfeifchen. 3:1, die mittelsächsische Volksseele kochte. Mit allen schönen (alle waren wieder wach) und unschönen Effekten (Knaller, Bierbecher).

Das Spiel war durch, Schiri Hufgard bekam noch ein paar Gastgeschenke in verbaler Form und in Form von Bierbechern mit auf den Nachhauseweg. Auf den sich dann auch 6 500 (200 waren´s aus Pauli) kopfschüttelnde, enttäuschte, wütende CFC-Fans machten.

Fazit: Was diese Mannschaft in der zweiten Halbzeit geboten hat, war Arbeitsverweigerung. Da kann sich Herr Bittermann noch so oft im DSF wundern, dass es so ruhig im Stadion war. Er kann eher froh sein, dass erst relativ spät Pfiffe von den geschockten Fans kamen.

Wertung: 4 (Erste Halbzeit 2, Zweite Halbzeit 6. Weiter reicht die Skala leider nicht.)

Beste Himmelblaue: Ananiev, Skela, König

Pressestimmen

Freie Presse
Rückschlag für Chemnitzer FC. Dritte Niederlage im dritten Fernsehspiel

Chemnitzer Morgenpost
Abstiegskampf pur und zwei eklatante Fehlentscheidungen

BILD-Chemnitz
1:3. Beim CFC geht das Abstiegsgespenst wieder um

28. Spieltag - 2. Bundesliga - Saison 1999/2000
Montag, 24. April 2000, 20:15 Uhr
Fischerwiese, Chemnitz
Zuschauer: 6.700
Schiedsrichter: Hufgard (Mömbris)
Chemnitzer FC
T AnanievGelbe Karte
A LaudeleyGelbe Karte
A Weber
A Mehlhorn
M Bittermann
M König (60. Tetzner)
M Krupnikovic
M Oswald
M Jendrossek (60. UllmannGelbe Karte)
S Skela (75. KunzeGelbe Karte)
S Dittgen

Trainer: Franke
FC St. Pauli
T  Wehlmann
A StanislawskiGelbe Karte
A Puschmann
A TrulsenGelbe Karte
M Gerber
M Karl
M Polunin
M Hanke
M Rahn
S Marin (74. Baris)
S Klasnic (56. Wehlage)

Trainer: Demuth
Tore
0:1 Gerber (7.)
1:1 Krupnikovic (15.)
1:2 Klasnic (46.)
1:3 Polunin (85.)