Spielbericht

9. Spieltag - 2. Bundesliga - Saison 2000/2001
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC
1:3
FC St. Pauli
FC St. Pauli

CFC-Heimniederlage gegen einen starken FC St. Pauli

von Frank Neubert

Nach der erfolgreichen himmelblauen 3-Punkte-Jagd im Aachener Tivoli galt es gegen den FC St.Pauli den Aufschwung zu bestätigen und mit dem zweiten Heimsieg der Saison zu veredeln. Trainer Kuze handelte nach dem Motto "never change a winning team" und bot bis auf den gesperrten Bittermann diesselbe Anfangself auf. Köhler übernahm die Kapitänsbinde und Süssner vertrat weiterhin den wegen Schulterproblemen aussetzenden Stammkeeper Ananiew. Im Laufe der Woche war auch durchgesickert, das wegen der kämpferisch und spielerisch starken Leistung am Tivoli die Fans auf den geplanten Protest verzichten und die Südkurve reichlich besetzen wollten. Alle Vorzeichen standen also auf Sieg...

Das Spiel begann und die Chemnitzer Fans erfreuten sich erstmal an einem leuchtendroten Bengalo, welcher südländisches Flair im himmelblauen Block verbreitete. Die Ultras hielten ein ca. 20m langes Plakat hoch, auf welchen "Volle Leistung = Voller Block" stand, um den Spielern nochmal klar zu sagen, das bei vollem Einsatz wie in Aachen auch kein Fanprotest durchgeführt wird.
Der CFC schien dies alles nur zu gern bestätigen zu wollen und legte los wie die Feuerwehr. Toller Angriffsfussball mit Herz, wie man ihn so lange auf der Fischerwiese vermisst hatte. Oswald knallte dann auch gleich in der 7. Minute das Leder aus halblinks an die Latte des Pauli-Tores. Die Kiezkicker stark unter Druck, da die Himmelblauen sehr engagiert auftraten und schon in der gegnerischen Hälfte den ballführenden Mann attackierten. Die unter entzugsähnlichen Erscheinungen leidenden, staunenden Heimzuschauer bekamen die angekündigte offensive Taktik Kuze's von einem spielerisch und kämpferisch starken CFC leidenschaftlich präsentiert. Auch die Südkurve zeigte die Fähigkeit, mal über einen längeren Zeitraum supporten zu können. Sogar Kabinettstückchen gelangen, Köhler klärt per Hacke an der eigenen Strafraumgrenze, woraus sich eine Vorlage für Skela entwickelt - Kommentar Nebenmann: "Pass auf, der alte Köhlei geht nächsten Sommer noch zu Flamengo". In der 30. Minute dann ein weiter Einwurf von links in den Strafraum, Krupnikovic wird von einem Hamburger heftig umklammert - Schiedrichterpfiff - Elfmeter für die Himmelblauen. Skela, welcher gegen Mainz regelwidrig erst im Nachschuss verwandelte, trifft diesmal sicher zum verdienten 1:0 für den CFC.
Die Chemnitzer zogen sich nun etwas zurück und St.Pauli kam jetzt besser ins Spiel. Der CFC hoffte wohl nun auf die Defensivschwäche der Norddeutschen bei Kontern und Pauli entdeckte seine starke Offensivabteilung. Pauli's Patschinski kurz darauf mit Grosschance, welche neben das Tor geht. Dann Freistoss für die Hamburger, Rahn knallt das Leder fulminant an die Latte (38.min) und von da springt der Ball auf die Linie und aus dem Tor, oder doch nicht ?! Ein Wembleytor auf der Fischerwiese ?! Sagen wir es mal so: beim letzten Aufeinandertreffen hielt Ananiew einen Freistoss klar vor der Linie, trotzdem wurde auf Tor entschieden, tja, und heute eben mal nicht. Kurz vor der Pause nochmal der starke Klasnic alleine vor Süssner, welcher prächtig hält. Halbzeit.

Nach der Pause wieder der CFC mit dem besseren Start, aber St.Pauli nun ebenfalls gut im Spiel. Die Himmelblauen mit 2 grossen Möglichkeiten zur Vorentscheidung, Holetschek schiesst aus dem Hinterhalt ganz knapp neben den Pfosten und Kluge schlenzt nach Solo dem Keeper den Ball auf die Fingerspitzen.
Aber die Hamburger Offensive zeigte nun, warum sie einen Schnitt von fast drei Toren pro Spiel produziert. Rahn, Klasnic und Meggle zeigten Ideen für Spiel und Raum, welche eines Aufstiegsanwärters würdig waren. Die CFC-Abwehr um den stellungssicheren und kompromisslosen Libero Babunski stand nicht direkt schlecht, wurde aber von dem starken Sturm der Hamburger immer wieder überlaufen. Einen Fernschuss von Klasnic konnte Süssner noch entschärfen, aber in der 57.min war es dann soweit. Nach Flanke von rechts köpft Meggle in die lange Ecke und erzielt das hochverdiente 1:1 - Jubel unter den ca. 150 mitgereisten Pauli-Fans, unter welche sich mal wieder lilane Trittbrettfahrer aus dem Lössnitztal "Aue grüsst St.Pauli" gemischt hatten. Kurz darauf Ecke für die Kiezkicker, vor dem herauseilenden Süssner kommt Klasnic unbedrängt zum Kopfball und verlängert über den Torhüter ins lange Eck - 1:2 in der 61. Spielminute. Das Spiel war gedreht.
Die Himmelblauen nun geschockt, aber nicht mit dem bisher folgenden mannschaftlichen Zerfall wie in den letzten verlorenen Heimspielen. Schwach in diesem Zusammenhang die Südkurve, welche jetzt ausser Beleidigungen des Gästeteams nicht viel zu bieten hatte - gerade in dieser Phase hätte der CFC bedingungslose Anfeuerung gebraucht. Man versuchte es mit der Brechstange, hohe Bälle auf die vorn agierenden Stürmer Krupnikovic und Dittgen, das in der ersten Halbzeit so erfolgreiche Flügelspiel wurde nahezu aufgegeben. Die Abpraller waren zumeist sichere Beute der St.Pauli-Abwehr. Später kamen dann noch Tetzner für den guten Holetschek und Kujat für den ausgelaugten Krupnikovic, aber trotz nie abzusprechenden kämpferischen Einsatzes wurde keine echte Torchance mehr erarbeitet. Selbst bei Freistössen oder Ecken wirkte der CFC harmlos.
Das Team vom Millerntor zeigte weiterhin durchdachten Angriffsfussball und so kam, wie es kommen musste: In der 87.min ist Lotter nach einem Konter alleine vor Süssner und hebt den Ball gekonnt über den Torwart - 1:3 aus himmelblauer Sicht. Verdient, aber 1 Tor zuviel.
Die meisten Zuschauer traten nun ob der sicheren vierten Heimniederlage gefrustet den Heimweg an und bekamen die Aktion der Ultras nicht mehr mit, welche kurz vor Schluss nochmal das lange Plakat "Volle Leistung = Volle Blöcke" demonstrativ hochhielten, um den Jungs zu sagen, das die Leistung des Chemnitzer FC gestimmt hat, aber der FC St.Pauli eben heute mit den zur Verfügung stehenden himmelblauen Mitteln nicht zu bezwingen war. Kurz darauf Schlusspfiff einer gutklassigen Zweitligapartie.

Tja, was bleibt dem gewogenen Chemnitzer Fan als nüchterne Analyse?! Von 5 Heimspielen wurden bereits 4 verloren, und dies in dem letztjährigen Klassenerhaltsgarant "Festung an der Gellertstrasse". Bitter, sehr bitter, verdammt bitter!! Einziger Unterschied war heute, das gegen ein Team verloren wurde, welches sich den Sieg wirklich verdient hatte, der CFC seine Mittel zum ersten Mal in der Saison nahezu ausschöpfte und diese einfach gegen einen starken FC St.Pauli nicht gelangt haben. Mit der Einstellung von heute wird der Chemnitzer FC auch wieder Punkte holen, und zwar gegen Gegner, welche nicht wie ein Aufstiegsaspirant aufspielen. Diese (subjektive) Meinung vertrat der Schreiber dieser Zeilen auch beim energischen verbalen "Zusammenfalten" eines Zuschauers bei dessen höhnischen Jubel beim 1:3 des Gegners...die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt...

Wertung: 3 (Für neutrale Zuschauer und Pauli-Fans ein ansehnliches Spiel. Für CFC-Fans war nur die erste Hälfte erträglich.)

Beste Himmelblaue: Köhler, Kluge, Süßner, Babunski

Pressestimmen

Freie Presse Chemnitz
Süßner verhinderte Schlimmeres [..] Ein Schritt vorwärts, ein Schritt zurück. So präsentiert sich der Chemnitzer FC zur Zeit in der 2. Fußball-Bundesliga. Dem Aufwärtstrend von Aachen folgte erneut eine spielerische Offenbarung auf eigenem Platz. Gegen den FC St. Pauli hatte gestern Abend der CFC nichts entgegenzusetzen und zog auch in dieser Höhe verdient mit 1:3 (1:0) den Kürzeren. Wenn nicht Torhüter Steffen Süßner einige Male großartig pariert hätte, ein Debakel wäre möglich gewesen.

Chemnitzer Morgenpost
Vernichtender Doppelschlag [..] 5800 Fans jubelten erst, gingen aber traurig nach Hause

9. Spieltag - 2. Bundesliga - Saison 2000/2001
Freitag, 20. Oktober 2000, 19:00 Uhr
Fischerwiese, Chemnitz
Zuschauer: 5.800
Schiedsrichter: Späker (Marl)
Chemnitzer FC
T Süssner
A Podunavac
A Babunski
A Mehlhorn
A Oswald (62. Laudeley)
M SkelaGelbe Karte
M Holetschek (68. Tetzner)
M Köhler
M Kluge
S Krupnikovic (80. Kujat)
S Dittgen

Trainer: Kuze
FC St. Pauli
T Weber
A Stanislawski
A ScheinhardtGelbe Karte
A Basic
M Lotter
M Trulsen (57. Wehlage)
M Meggle (83. Mansourian)
M Bürger
M RahnGelbe Karte (72. Staczek)
S Patschinski
S Klasnic

Trainer: Demuth
Tore
1:0 Skela (21./Foulelfer)
1:1 Meggle (57.)
1:2 Klasnic (61.)
1:3 Lotter (88.)