Stimmung, Bier und Fußball pur – Ein Nachmittag bei Eisern Union

12.05.2017 von Pierre Schönfeld
„Den Sieg vor den Augen, den Blick weit nach vorn – ziehen wir gemeinsam durch die Nation…“ so röhrt die rauchige Stimme von Old-Punk Lady Nina Hagen aus den Lautsprechern. Ich bin in Berlin. Bei Union. Alte Försterei. Gegengerade. Vor mir ein Meer aus rot-weißen Schals und eine bunte Mischung an Fans oder wie man hier sagt - Unionern. Hopping beim Zweitligaspiel Union Berlin gegen den 1. FC KaiserslauternInbrünstig singen Sie ihre Hymne mit und halten ihre Schals nach oben – ein geiler Anblick. Und … man mag es kaum glauben auch auf der gegenüberliegenden Sitzplatztribüne machen alle mit. In anderen Stadien kommen die VIPs schon mal gern mal Minuten nach Anpfiff… man musste ja noch Nachschlag am Buffet holen. Nicht so hier.

Union Berlin also. Vor drei Jahren war es, als unsere Pfingstplanung einen Ausflug nach Berlin vorsah. Fußball sollte dabei sein. Wohin in Berlin? Hertha? Neee! BFC? Muss auch nicht unbedingt sein. Lass uns Union machen, da war ich schon mal 2005 mit dem Club. 1:1 – damals. Noch vor dem Umbau, Kanitz mit Traumtor. Der CFC damals schlecht. Union aber noch schlechter. Die Eisernen stiegen am Saisonende sogar in die vierte Liga ab.
Es war der letzte Spieltag, der Gegner Eintracht Braunschweig. Ein wenig Sommerfußball, es ging für beide um nichts mehr. Es wurde ein großartiges Erlebnis. Wir hatten Blut geleckt und so ging es ein Jahr später wieder in die „Alte Försterei“, erneut am letzten Spieltag. Gegner war diesmal der SC aus Freiburg. Es wurde gefeiert. Insbesondere auf Freiburger Seite, denn die stiegen an diesem Spieltag in die erste Liga auf. Union landete da irgendwo im Mittelfeld.
Dieses Jahr ist alles anders. Es ist der 29. Spieltag und für Union geht es um etwas. Die Rot-Weißen waren zwischenzeitlich bereits Tabellenführer, kämpfen nun um den Aufstieg ins Oberhaus, was gemischte Gefühle bei den Fans der Eisernen auslöst. Die einen träumen von Erstligaderby gegen die Hertha, die anderen fürchten, dass Union durch einen Aufstieg sein besonderes Flair verlieren könnte. „Scheiße wir steigen auf“ – ein Transpi in der Fankurve drückt diesen Zwiespalt recht treffend aus.

Hopping beim Zweitligaspiel Union Berlin gegen den 1. FC KaiserslauternZu Gast an diesem Sonntagnachmittag ist der 1. FC Kaiserslautern. Ein Kellerkind der Liga, auch ein Traditionsverein – der Gästeblock entsprechend voll. Stadionsprecher Christian Arbeit gibt die Mannschaftsvorstellung der Gäste durch. Da wo anderenorts ein „A***loch“ gebrüllt wird, setzen die Unioner ein lässiges „na und“ hinter jedem Spielernamen des Gegners. Und bei der eigenen Combo sind wie selbstverständlich alle Fußballgötter, inklusive der Jungs auf der Ersatzbank. Was auch auffällt ist die Musikauswahl. Es geht (hart)-rockig zu, kein Kirmesgeklingel wie in anderen Stadien oder auch auf der heimischen Fiwi. Auch keine Werbejingles oder sonstiges Marketinggedöns. Die Ansagen des Stadionsprechers sind kurz und knackig. Die Berliner Combo „Sporti“ heizt mit dem Eisernet Lied ein, dann röhrt die Nina. Auf Unioner Seite wird eine Choreo hochgezogen: „Union in Rot – Das Stadion schallt. Ziel anvisiert – die Faust geballt.“ Dazu ein übergroßer Faustkämpfer und ein Fahnenmeer. Ein schickes Intro.

Hopping beim Zweitligaspiel Union Berlin gegen den 1. FC KaiserslauternDas Spiel beginnt. Union drückend überlegen, spielt wie ein Aufstiegsaspirant. Folgerichtig auch die Führung für die Berliner nach einer Viertelstunde. Union bleibt weiter am Ball, drückt auf das zweite Tor. Doch wer selber nicht trifft, der kassiert irgendwann den Ausgleich. Und so geschah es dann auch – in der 68. Minute schießt Lautern mit der ersten Chance das 1:1. In Folge heftiges Anrennen der Berliner und ein Schiri den man wahrlich nicht als Heimschiedsrichter bezeichnen kann. Einem Tor für Union verweigert er wegen angeblichen Abseits die Anerkennung (war nie und nimmer Abseits!) und ein klares Handspiel der Lauterer im Strafraum übersieht er. Die Eisernen dürften sich an Zeiten, als der verhasste Ortsnachbar zu den einem oder anderen Sieg geschiedst wurde, erinnert haben. Doch diesmal kam es anders – dem Dauerdruck der Unioner konnte Lautern nicht standhalten und so klingelte es dann doch kurz vor Ende noch zweimal im Kasten des FCK-West. Am Ende Union 3 – Lautern 1. Die Eisernen wieder auf Kurs erste Liga. Lautern kloppt sich mit dem Schacht & Co. um den Klassenverbleib in Liga 2.
„Eisern Union“ schallt es nach Schlusspfiff durch die Wuhlheide und als die Spieler das Trikot der „Eisernen Lady“ Lisa Görsdorf durchs Stadion tragen und der Stadionsprecher der krebserkrankten Spielerin der Unioner Frauenmannschaft viel Kraft wünscht, habe auch ich als eingefleischter Himmelblauer Gänsehaut an diesem Tage. Und das nicht zum ersten Mal.

Hopping beim Zweitligaspiel Union Berlin gegen den 1. FC KaiserslauternNach viel Fußball und etwas Bier geht ein Fußballnachmittag zu Ende, der kurz gesagt einfach nur geil war. Grandiose Stimmung und Gesänge das gesamte Spiel über, ein Stadion wie ein Mann hinter der eigenen Mannschaft. Auch die Lauterer Fans trugen ihren Teil dazu bei.
Fußball auf das Wesentliche reduziert - das Spiel, Bier und Stimmung. Verfolgt von einem Stehplatz. Davon gibt es in der „alten Försterei“ übrigens exakt 18.395. Auf Wunsch der Fans, die auch in schlechten Zeit zu Union standen und bei einem Großteil des Neubaus 2008/09 mitmalochten. Und die zudem Stadionaktien erwarben und damit Miteigentümer der „Alten Försterei“ sind. Sicherlich auch ein Grund warum der traditionelle Name auch heute noch so ist, wie er immer war und nicht durch ein seelenlose XYZ-Arena Etikett abgelöst wurde.

Doch sollte es nach oben gehen, müßte Union mehr Sitzplätze anbieten. Knapp 4000 sind es, 8000 – warum auch immer - fordern hier die Regularien der DFL. Die Ausbaupläne sind schon in der Schublade – man darf gespannt sein wie diese umgesetzt werden, ohne das die „Alte Försterei“ ihr großartiges Flair eines Stehplatzstadions verliert.
Und man darf auch gespannt sein, ob Union seine Authentizität, sein rebellisches Ich, seine Fußball-Pur-Attitüde und den gelungenen Spagat zwischen Fußball und – nur so viel wie unbedingt nötig - Kommerz auch in der ersten Liga beibehalten kann. Ob sich Union wirklich nicht „vom Westen kaufen lässt“, wie es die Nina in der Union Hymne besingt. Doch weil die handelnden Personen im Verein in erster Linie Fans und nicht Funktionäre sind, ist man hierzulande optimistisch. Ich werde mir das anschauen… nächstes Jahr. An der „Alten Försterei“.

Und - bis dahin – niemals vergessen, Eisern Union.