20 Jahre Europapokal - 1. Runde im Uefa-Cup 1989: FCK vs. Boavista Porto

19.10.2009 von Pierre Schönfeld & Frank Neubert
1989 wird der FCK Dritter der DDR-OberligaEs gibt so gewisse Tage, die man einfach nicht vergisst, und an die auch die jüngeren Generationen immer wieder erinnert werden sollten. Und aus himmelblauer Sicht ist der heutige 13. September ein solcher Tag. Genau vor 20 Jahren strömten 1989 satte 20.000 Zuschauer ins Sportforum an der Reichenhainer Straße, um ab 17.30 Uhr dem Wiedereintritt des FC Karl-Marx-Stadt in das internationale Geschäft beizuwohnen. 22 lange Jahre hatte es gedauert, bis der FCK nach dem ersten Auftritt im Europapokal (1967 als DDR-Meister gegen den RSC Anderlecht), wieder in Europa auf Reisen gehen durfte. In der ersten Runde des UEFA-Cups traf man nun im Heimspiel auf den ältesten portugiesischen Fussballverein, den Boavista F.C. aus Porto.

Zum EC wurden extra Wimpel, Pins und Gläser aufgelegtAls Vater des Erfolgs muß an erster Stelle der damalige FCK-Trainer Hans Meyer genannt werden, der allerdings auf die Dienste seines Vorgängers Heinz Werner aufbauen konnte. Die Nachwuchsabteilung des FCK konnte - ebenso wie heute - oft gute Spieler hervorbringen, trotzdem langte es in der DDR-Oberliga jahrelang nur zu Mittelfeldplätzen. Heinz Werner bewies Mut und bot mit Hiemann, Fankhänel, Laudeley, Steinmann, Mehlhorn und Wienhold eine von ihm liebevoll "Schultütenmannschaft" genannte Elf auf. Ab 1988 saß Trainer-Ikone Hans Meyer auf der Bank, der die Talente veredelte und auf Anhieb einen sensationellen 3. Platz in der DDR-Meisterschaft erreichte. Das bedeutete die EC-Teilnahme für den FCK und alle Fans fieberten nun der Auslosung entgegen. Es wurde Boavista Porto gezogen.

Sven Köhler erzielte das 1:0 beim HinspielIm damaligen EC-Modus gab es keine Gruppenspiele, man musste sich per Hin- und Rückspiel für die nächste Runde qualifizieren. Der Club startete zuerst daheim - eher ein Nachteil. Doch allen Lampenfieber zum Trotz gab es gegen die Portugiesen ein verdientes 1:0 durch einen Treffer von Sven Köhler. Mit diesem dünnen Vorsprung ging es nach Porto, und glanzvolle Namen wie Andrade und Pinto sorgten für schlaflose Nächte unter den FCK-Fans. Tatsächlich schoß Jungstar Pinto seinen Verein in Führung, doch der Club hielt das 0:1 bis zur 90. Minute. Verlängerung! Pinto sorgte auch für das 0:2 - und wurde ausgewechselt. Dann passierte Unglaubliches, der FCK kam durch Heidrich zurück ins Spiel und Mehlhorn knallte in der allerletzten Minute einen fulminanten Freistoß-Hammer ins Toreck! Eine echte Sensation - der FCK war in Runde 2 des UEFA-Pokals!

Der FCK hatte damit einen ihm vorher nicht wirklich zugetrauten, großen Erfolg errungen. Der mittelmäßige DDR-Fußball war über Jahre hinweg eher davon gekennzeichnet, sich in Europa immer weniger behaupten zu können, von Ausreißern wie bei Lok Leipzig und Carl-Zeiss Jena (erreichten jeweils eine Finalteilnahme) einmal abgesehen. Umso respektabler ist der Erfolg der Himmelblauen zu bewerten, denn von den vier 1989 angetretenen Vereinen schieden bereits DDR-Meister Dynamo Dresden (gegen AEK Athen) und der Viertplatzierte Hansa Rostock (gegen Banik Ostrava) in der ersten Runde aus. Und währenddessen anderswo Frust angesagt war, wartete das himmelblaue Fanlager nun gespannt auf die Auslosung zur zweiten Runde des UEFA-Pokals...

Die Helden von damals:
Der FCK in der Saison 1989/90


Hin- und Rückspiel im Fanpage-Archiv:
13.09.1989: FC Karl-Marx-Stadt - Boavista Porto 1:0 (1:0)

27.09.1989: Boavista Porto - FC Karl-Marx-Stadt 2:2 n.V. (1:0)


Fans erinnern sich:
Frank: Das passende Bierglas zur 1. Uefa-Cup-Runde Das war schon echt irre, damals vor 20 Jahren. Für DDR-Verhältnisse eigentlich ein kleines Weltwunder. Jahrelang hat man immer die gleichen Vereine gehabt, die für die DDR im Europapokal an den Start gingen: BFC, SGD, Jena, Lok und Magdeburg. Und auf einmal war man in diesem illustren Kreis mit dabei! Ehrlich gesagt, war ich bei dem Los Porto schon mehr als skeptisch. In der Regel blieben nach Runde 1 nicht mehr viele DDR-Vereine übrig, und der Club war noch dazu ein Neuling in diesem Metier. Allein schon das 1:0 zu Hause war schon eine Überraschung für mich. Überraschend war auch, dass nicht Richter, Steinmann oder Heidrich das 1:0 machten, sondern der erklärte "Holzfuß" des FCK, Sven Köhler - der heutige Trainer von Halle. Nach dem Sieg trug man als Fan die himmelblaue Nase verdammt weit oben und platzte fast vor stolzgeschwellter Brust.

Das Rückspiel in Porto konnte man ja nur im TV verfolgen, da sich die Wende erst anschickte, eine solche zu werden, und somit die Grenze nach Westen noch geschlossen war. Ich habe das Spiel damals mit meinem Vater und zwei Kumpels aus der Seminargruppe im heimischen Wohnzimmer verfolgt. Der eine hielt es ansonsten mit Erfurt, der andere mit Magdeburg - beide drückten aber fest die Daumen für den FCK. Das war so üblich in der DDR, im Europapokal gönnte man den anderen Vereinen auch mal was - bis auf den BFC natürlich. Nach dem 1:0 schwanden die Hoffnungen, und als dann auch noch das 2:0 fiel, war der Ofen (vermeintlich) aus. Mein Vater holte eine große Flasche Cognac aus dem Schrank und teilte auf den Frust einen aus. Doch Porto wechselte seinen Star Pinto aus und der Club bekam plötzlich die zweite Luft. Heidrich traf, und jetzt war der Club durch die Auswärtstorregel weiter. Die letzten Minuten waren nervenzerfetzend, man mochte gar nicht mehr hinschauen und hoffte nur noch auf den Abpfiff. Dann dieser Freistoß in der 120. Minute, von dem "Mehlo" später sagte, dass er das Ding auf eine Baustelle hinter dem Stadion knallen wollte. Er traf genau ins Dreiangel - und bei unserem Untermieter wackelte die Decke! Kurze Zeit später war die Cognac-Flasche leer und die Uni musste am nächsten Tag ohne uns auskommen.

Pierre: Spielszene mit FCK-Mittelfeld-As Rico SteinmannIch war damals ein 14 Jahre alter Steppke und total euphorisch, dass „mein“ FCK plötzlich international spielt. Bekanntermaßen war das ja in der Clubgeschichte nicht so häufig der Fall. Beim Hinspiel war ich im Stadion, wenn ich mich recht erinnere stand ich im Block G. Man wußte nicht so richtig, was das 1:0 wert war, trotzdem war ich optimistisch, dass die Jungs um Hans Meyer auch in Porto bestehen können.
Beim Rückspiel saß ich vor dem Fernseher und eigentlich durfte ich bloss bis zur Halbzeit aufbleiben. Da stand es schon 1:0 für die Portugiesen. Als ich ins Bett sollte, habe ich so lange gequengelt, bis meine Eltern entnervt aufgegeben haben und ich das Spiel bis zu Ende schauen durfte. Ich erinnere mich noch gut an das 2:0 in der Verlängerung durch Pinto, der sich daraufhin auswechseln liess und wo die „Karos“ wohl dachten dass das Spiel für sie schon gewonnen ist. Ehrlich gesagt, habe ich in dem Moment auch nicht mehr an ein Weiterkommen geglaubt.
Beim Anschlusstreffer durch Heidrich habe ich das ganze Haus zusammengebrüllt und beim Ausgleich durch Mehlo war ich komplett aus dem Häuschen.
Dass der international unerfahrene FCK die erste Runde überstanden hatte, war damals schon'ne große Nummer.

Timo: Für mich war die Saison 1989/1990 quasi die erste als richtiger Clubfan. Schuld an allem war eigentlich nur Hans Meyer. Die Jahre davor seit 1978 war der FCK für mich eher die Gelegenheit mal bekannte Kicker des DDR-Fußballs live zu sehen und auch mal die besondere Atmosphäre der Oberligaspiele zu erleben. Der Club als Verein hat mich weniger interessiert, eher habe ich die Himmelblauen eher belächelt weil man halt auf Jahre nicht aus dem Mittelmaß herauszukommen schien.
Die letzten Spiele 1988/1989 waren irgendwie anders, spätestens mit dem Erreichen des UEFA-CUP wurde der FCK auch für mich eine Art Heimat.
Quasi wurde eine "freie Stelle besetzt". So einen richtigen Heimatverein hatte man nicht. Aue konnte ich übrigens schon damals weniger leiden. Europacup in Karl-Marx-Stadt? Für mich eher unvorstellbar. Eher wie man immer nach guten Ansätzen speziell unter Heinz Werner gegen Mitte der Rückrunde in den alten Trott verfiel und dreimal hintereinander nur 8. wurde während im Lößnitztal zweimal der UEFA-CUP erreicht wurde. Mein Großvater der bis 1990 einige Spiele auf der Fischerwiese mit uns sah meinte immer nur "die werden nie was.".

Das ProgrammheftDie Karte für das erste EC-Spiel in Karl-Marx-Stadt nach über 20 Jahren wurde quasi keine 200 m von der Fischerwiese entfernt besorgt. Keine Ahnung wieviel die damals kostete, da es aber noch zu "einigermaßen regulären DDR-Zeiten war" dürfte es nicht soviel gewesen sein, zumal es eine Stehplatzkarte war. Blaue Schrift auf weißem Grund, ohne irgendwelche Werbung oder anderen Schnickschnack. War irgendein Schreibwarengeschäft so 100 m Fanhalle Richtung Sachsen Allee. Warum ich damals dann doch nicht im Stadion war, weiss ich nicht mal mehr.
Gesehen habe ich es im TV, erinnere mich an das 1:0 durch Sven Köhler und wie die überraschten Portugiesen sich zeitweise nur mit Fouls gegen die unbekümmert aufspielenden Außenseiter wehren konnten. Lustig fand ich die Trikots der Gäste.

Das Rückspiel ist mir noch in bleibender Einnerung. Ich fand´s nach dem 0:2 trotzdem gut wie sich der CFC als klarer Underdog gegen die siegessicheren Gastgeber verkaufte der diesen "Betriebsunfall" damit schon gerade gebogen geglaubt hatte. Das man das Ding doch gewinnt bzw. weiter kommt daran hatte ich nicht mehr geglaubt. Vielleicht weil ich damals auch noch nicht so intensiv am Club hing wie später bzw. heute.
Beim 1:2 war ich noch ungläubig und Beim 2:2 durch Mehlo jedenfalls war ich dann total aus dem Häuschen und bin durch meine kleine Bude bei meinen Eltern gehüpft die zum Glück nicht da waren. Am nächsten hat sogar meine fußballerisch eher desinteressierte Oma im Treppenhaus vor ihrer Nachbarin den FCK in höchsten Tönen gelobt mit den Worten "Das haben sie ja fein gemacht gestern Abend." Drollig fand ich das Stadion in Porto, soweit ich mich erinnern kann war hinter dem Tor wo das 2:2 fiel ja keine Kurve sondern nur eine Art Absperrung. Man was haben sich die Portugiesen damals geärgert, die haben sicher nicht im Traum daran gedacht gegen uns rauszufliegen. Gesehen habe ich das Spiel auf einem alten Schwarz-Weiß Fernseher den ich von meinen Großeltern bekommen hatte. Sender mußten durch Drehknopf gewechselt werden, aber was soll´s.

Peter: Ich habe die zweite Halbzeit vom Boavista Porto Spiel im Radio gehört. Durfte Fernsehen nur die erste Halbzeit angucken. Sollte dann schlafen gehen. Selbstredend habe ich die Halbzeit natürlich heimlich im Radio gehört. Die Freude war unglaublich, als Rico Steinmann die Flanke von links in die Mitte scharf und punktgenau auf Heidrich schlug. Da konnte ich mich noch beherrschen. Von da an habe ich nur noch gezittert, denn es hätte ja gereicht. Vor den Freistoß sagte der Reporter immer: "Mehlo, hole Zeit raus, hole Zeit raus ". Und dann schrie er auf einmal: "JAAAAAAAAAAAAA" und "der Ball klebt im Tor". Na da habe ich natürlich auch "JAAAAAAA" geschriehen, was nicht gut war, denn ich sollte ja kein Radio mehr hören... Unvergessen - diese dreiviertel Stunde Radio.

Michael: habe gerade die Erinnerungen an die EC-Geschichte von vor 20 Jahren gelesen und möchte hiermit nur kurz mitteilen, daß ich in jenen fernen, schönen Tagen 4 der 6 Spiele live gesehen habe ( nach Porto und Sion konnte man ja noch nicht reisen... ). Allerdings werde ich nie das Gesicht der Dame in der Meldestelle K-M-St.-Süd vergessen, als ich Anfang September 89 vorstellig wurde wg. einem Visum nach Portugal. Als die Begründung (Besuch eines Fußball- spiels) heraus war, ließ sie fast ihre Tasse fallen: "So was geht iberhaubt nisch." Nun ja, 2 Monate später ging es ja dann doch. ;-)


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