1 Jahr der CFC im Wettskandal - der 3-teilige Rückblick, Teil 3 – Der Prozess...

31.01.2006 von Frank Neubert
Vor genau einem Jahr, am 30.Januar 2005 geriet der Chemnitzer FC in den Wettskandal. Der Skandal, der 2 Wochen zuvor mit der Verlesung einer DFB-Mitteilung im „Aktuellen Sportstudio“ (ZDF) begonnen hatte. Viele wurden beschuldigt, 6 angeklagt und verurteilt. Am 8. Dezember 2005 endete der Skandal mit der Verkündung des letzten Urteils – vorerst. Denn alle Verurteilten sind in Berufung gegangen.
Die CFC-Fanpage hat ein Jahr lang die Ereignisse aufgezeichnet und zeigt in 3 Teilen noch einmal die Entwicklung auf.


Teil 3 – Der Prozess...

18. Oktober 2005 – Auftakt im „Hoyzer-Prozess“ genannten Verfahren um den Wettskandal vor der 12. Strafkammer des Landgerichtes Berlin. Der „Namensgeber“ und Ex-Schiedsrichter Robert Hoyzer sitzt gleich in einer Doppelrolle im Gerichtssaal. Er ist Angeklagter und Kronzeuge zugleich. Neben ihm Platz nehmen mussten die 3 Sapina-Brüder Milan und Filip sowie Ante als Drahtzieher. Außerdem sind auch Ex-Schiedsrichter Dominik Marks und Ex-Bundesligaprofi mit Anstellung auch in Chemnitz, Steffen Karl angeklagt. Karl allerdings kommt nur mit „Versuchter Verbrechensabrede“ davon, während es die anderen 5 mit „gewerbs- und bandenmäßigen Betrug“ zu tun haben, worauf Haftstrafen zwischen einem halben und 10 Jahren stehen.
Trotz der Verhandlungstermine jeden Dienstag und Donnerstag bis zunächst 29. Dezember ist jedoch mit den Urteilen nicht mehr in diesem Jahr zu rechnen.
Am ersten Prozesstag wurden rund eine Stunde lang die 289 Seiten umfassende Anklage im Saal 500 des Kriminalgerichts Berlin-Moabit verlesen. Danach ergriff die Hauptperson Ante Sapina das Wort. „Zu den Tatvorwürfen möchte ich sagen, dass sie im Wesentlichen zutreffend sind,“ zitiert unter anderem SPIEGEL-Online seine Aussage. Ausführlich erklärt er danach wie er zum Wetten gekommen sei. Begonnen habe alles Mitte der 90iger mit Briefwetten, das Internet habe einen „Karriereschub“ für ihn bedeutet. Die Wetten seien dabei nicht auf Fußball beschränkt gewesen. Von Skispringen über Formel 1 bis zum amerikanischen Frauen-Basketball habe das Wettrepertoire gereicht mit dem Sapina bis viele tausend EUR verdiente.

19. Oktober 2005 – Zwischen den ersten beiden Verhandlungstagen wirft die Sapina-Verteidigung ein nicht unerhebliches Gutachten in die Verhandlungsrunde. Werner Platz, Direktor der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie an der Klinik der Berliner Humboldt-Universität, bescheinigt Ante Sapina Spielsucht, die seit 1990 in Deutschland als Suchterkrankung anerkannt ist.

20. Oktober 2005 – Ante Sapina „packt weiter aus“ und ist dabei immer bedacht seine Brüder aus der Schusslinie zu nehmen. Weniger Glück hat da Robert Hoyzer. Er wird von Sapina schwer belastet, teilweise sogar als „Trottel“ hingestellt. Hoyzer sei im Mai 2004 auf ihn zugekommen und habe ihn die Beeinflussung von Spielen angeboten. Als Referenz habe er die Partie Chemnitzer FC – Sachsen Leipzig (1:1) genannt. Der CFC sei es dann auch wieder gewesen, der zur ersten Zusammenarbeit auserkören worden sei. Paderborn sollte zur Halbzeit und beim Abpfiff führen. Paderborn gewann 4:0, die Pausenführung hatte aber eine engagierte Schiedsrichterassistentin verhindert, was Sapina die Wette verlieren ließ. Trotzdem haben beide weiter zusammengearbeitet, auch wenn Sapina später sagt, er habe mehr an den Spielen verdient, bei denen Hoyzer nicht beteiligt gewesen sei. Denn Sapina habe vorgebaut und sich Spieler ins Vertrauen gezogen. Zum Beispiel habe er über Torsten Bittermann Kontakt zu Steffen Karl, den Sapina als seinen zuverlässigsten Helfer benannte, hergestellt. 10.000 EUR sollte der Ex-CFC-Spieler bekommen, damit er in der Begegnung Chemnitz gegen Dynamo Dresden (0:1) „mit angezogener Handbremse“ spiele. Und Karl, sowie ein nicht genannter 2. Spieler haben ihn nicht enttäuscht. Sapina sei trotzdem leer ausgegangen, da in der Kombiwette der türkische Club trotz Bestechung eines Spielers nicht nach Wünschen des Kroaten spielte.
In rund 4 Stunden nennt Sapina schließlich weiter manipulierte Spieler und belastet dabei Spieler wie Ronny Kujat, Marco Eckstein und Ronny Thielmann. Und immer wieder wird der jetzige Co-Trainer des CFC Torsten Bittermann als Kontaktmann genannt, was diesem auch einige tausend EUR eingebacht habe.
Am Ende gibt sich Ante Sapina reuig und sagt, dass er endlich mit der Sache Schluss machen wollen. Doch Schluss ist zumindest vor Gericht noch lange nicht. Gespannt werden noch die Aussagen von Robert Hoyzer erwartet, dessen Anwalt Thomas Hermes bereits ankündigt, dass diese Sapinas Äußerungen in ein anderes Licht rücken werde.

01. November 2005 – Tag 5 der Verhandlungen lässt Robert Hoyzer zu Wort kommen. Und der holt gleich zum Rundumschlag gegen alle Mitangeklagten aus und war natürlich stets drauf bedacht, sein durch Sapinas Aussage noch mehr in Schieflage geratenes Image wieder etwas zu begradigen. Hoyzer brachte zudem nun auch offiziell die schon länger als Gerücht kursierende Partie zwischen den Schalke-Amateuren und Paderborn (2:4) vom letzten Spieltag 2003/04 mit in das Manipulationsgerede. Allerdings stützt er seine Angaben lediglich auf Vermutungen. Vermutungen sind es auch, die 2 Chemnitzer wieder in dunkles Licht rücken. „Hoyzer behauptete zudem, von Ante Sapina gehört zu haben, dass auch Karls Chemnitzer Mannschaftskollege Markus Ahlf und der Dresdner Spieler Ignjac Kresic in einem Zusammenhang mit Manipulationen stünden.“, berichtet SPIEGEL-Online von Hoyzers Aussage im Gerichtssaal. Zuvor hatte Hoyzer auch den Ex-CFCer Steffen Karl stark belastet. Laut Hoyzer habe Karl vor der entscheidenden Partie um den Klassenerhalt Dortmund/A. – Chemnitz (0:2) gesagt, dass er zwei Dortmunder Spieler ansprechen wolle. Ob die Begegnung aber tatsächlich manipuliert worden sei, wisse er, Hoyzer jedoch nicht.
Unterdessen zitierte die Leipziger Volkszeitung am vorangegangenen Wochenende aus der 30-seitigen Anklageschrift der Berliner Staatsanwaltschaft und belastet damit Chemnitz’ Torsten Bittermann und Markus Ahlf schwer. Bittermann wird immer wieder als Vermittler zwischen Sapina und Spielern wie Marko Eckstein, Ronny Thielemann, Ronny Kujat und Steffen Karl genannt, wofür er vom Kroaten Provisionen kassiert habe. Ahlf dagegen soll aktiv an der Manipulation der Partie Kiel – Chemnitz (3:0/1. Mai 2004) beteiligt gewesen sein. Später soll Ahlf aus moralischen Bedenken aufgrund akuter Abstiegsgefahr die Mitwirkung an der Manipulation der Partie gegen Paderborn (0:4) abgelehnt haben.

08. November 2005 – Es ist Steffen Karls „großer Tag“ vor dem Gericht. Endlich kann er seine Version des Skandals vortragen und wählt dabei die schriftliche Form. Sein Anwalt Andreas Barthomlomé verliest die Aussage Karls, in der er alle Vorwürfe abstreitet. Er sei in keiner Spielmanipulation unmittelbar involviert gewesen. Besonders widersprach der Ex-CFC-Spieler über seinen Rechtsbeistand Sapinas Aussage, er habe gegen Holstein Kiel im Frühjahr 2004 mit „angezogener Handbremse“ gespielt: „Eine solche Verhaltensweise ist der Kämpfernatur Karl, Spitzname "Eisen" geradezu persönlichkeitsfremd“. Allerdings räumte Karl Kontakte zu Sapina ein und auch, dass er den Ex-Cottbuser Torwart Georg Koch Im Auftrage Sapinas ein Angebot zur Spielmanipulation gemacht habe.
Richterin Gerti Kramer will nun den Prozess gegen Karl von diesem Verfahren abtrennen und gesondert verhandeln. Damit wird auch der „Hoyzer-Prozess“ schon deutlich früher abgeschlossen werden. Unklar bleibt die Verfahrensweise gegen den Ex-Schiedsrichter Dominik Marks, der heute eine Aussage verweigert. Neu ist zudem, dass der FC St. Pauli aufgrund eines Manipulierten Spiels gegen Braunschweig Schadenersatz in Höhe von 3605 EUR fordert.

10. November 2005 – Dominik Marks hat nun doch ausgesagt und Bestechung durch Ante Sapina gestanden. Allerdings habe er die betroffenen Spiele nicht beeinflusst, ließ der das Gericht durch seine Anwältin Astrid Koch verlauten. Seine umstrittenen Entscheidungen kommentierte Marks vor Richterin Gerti Kramer und nannte sie „regelkonform und zutreffend“. Allerdings sind die Erläuterungen in Schiedsrichterkreisen starken Zweifeln ausgesetzt.
Unterdessen verkündete die Richterin auch, dass das Verfahren gegen Steffen Karl, der als nunmehr einzigster der Angeklagten nicht geständig ist, vom „Hoyzer-Prozess“ abgetrennt wird und ab 22. November vor dem Berliner Landgericht fortgesetzt wird. Damit endet voraussichtlich am kommenden Donnerstag der Hauptprozess mit den Urteilen. Am Dienstag sind die Plädoyers angesetzt.
Mit der Abtrennung des Karl-Prozesses kommen auch die von Sapina und Hoyzer angeschwärzten Markus Ahlf und Torsten Bittermann wieder ins Spiel. Die könnten bei einer zusätzlichen Beweisaufnahme in den Zeugenstand berufen werden. Außerdem plant Karls Anwalt Andreas Bartholomé eine gründliche Analyse der Spiele, in denen Karl manipuliert haben soll.

17. November 2005 – Der „Hoyzer-Prozess“ ist beendet – vorerst. Denn nach der Verkündung der teilweise überraschenden Urteile gegen die 3 Sapina-Brüder sowie gegen die Ex-Schiedsrichter Robert Hoyzer und Dominik Marks kündigten sämtliche Seiten an gegen die Urteile in Revision gehen zu wollen.
Die Sapina-Brüder Filip und Milan sowie besonders Marks kamen noch glimpflich davon. Die 3 bekamen nur Bewährungsstrafen, obwohl im Fall Marks die Anklage mindestens 2 Jahre und damit keine Bewährung gefordert hatte. Offenbar spielte für Richterin Gerti Kramer Marks nur eine untergeordnete Rolle und sie wertete das fehlende Geständnis auch nicht als strafverschärfend.
Robert Hoyzer kam jedoch nicht so milde an. Der 26-jährife, der von der Aufdeckung des Skandals bis zur Urteilsverkündung immer bemüht war, alle Schuld auf andere abzuwälzen und die Geschichte als „Dummer-Jungen-Streich“ abzutun bekam die volle Härte der Gerichtsbarkeit zu spüren: Richterin Kramer nahm dem 26-jährigen nicht ab, dass er nur Opfer von Sapina gewesen sei und verhängte 2 Jahre und 5 Monate gegen den Ex-Schieri, das Ganze natürlich ohne Bewährung. Das Gerichte lastete Hoyzer zudem an, dass er „ohne Not seine tiefste Pflicht als Schiedsrichter verletzt“ sowie Kollegen noch in den Skandal hineingezogen habe und das für nur 67.000 EUR und einen Plasma-TV-Gerät, also noch nicht einmal für enorme Summen.
Drahtzieher Sapina bekam von der 12. Strafkammer des Landgerichtes Berlin 2 Jahre und 11 Monate verpasst, die er wie Hoyzer vermutlich im offenen Vollzug verbüßen darf. Gewohnt sicher im Auftreten verteilte er nach Beendigung des Prozesses Küsschen an seinen Clan und verschwand mit ihnen zum Feiern in der „Gerichtsklause“. Dennoch kündigte auch Sapinas Verteidigung an, das Urteil anzufechten. Für Sapina war dieser möglicherweise nur ein „Aufwärmprogramm“. Denn nach Informationen der „Freien Presse“ wird sich Sapina möglicherweise auch in Griechenland aufgrund gleicher Vergehen vor Gericht verantworten müssen.
Für den DFB wird nun wohl mit den angekündigten Revisionen und dem am Dienstag beginnenden „Karl-Prozess“ das eintreten, was er tunlichst vermeiden wollte: Der Skandal wird bis in das WM-Jahr hineinreichen.

22. November bis 06. Dezember 2005 – Der vom „Hoyzer-Prozess“ abgetrennte „Karl-Prozess“ beginnt zunächst mit einem weiteren Mal Abstreiten aller Verwicklungen im Wettskandal durch Steffen Karl. An den folgenden Verhandlungstagen werden Zeugen verhört, unter andere die CFC-Angestellten Markus Ahlf und Torsten Bittermann. Bittermann bleibt allerdings am für ihn vorgesehenen Anhörungstag säumig, weil er keine Vorladung durch das Gericht bekommen hatte.
Donnerstag, 8. Dezember 2005 - Steffen Karl wartet mit einer Überraschung auf. Durch seinen Anwalt Andreas Bartholome lässt er ein Teilgeständnis verlesen. Darin gibt er zu, sich vor dem Spiel Kiel - Chemnitz (1. Mai 2004/3:0) mit Sapina in Bad Bramstedt getroffen und für die Manipulation 18.000 EUR erhalten zu haben. Allerdings seien davon 8.000 für Markus Ahlf bestimmt gewesen, der jedoch nie einen Cent davon gesehen habe. Außerdem gab Karl zu, Sapina habe ihm für die Manipulation der Partie Paderborn – CFC (22. Mai 2004/4:0) weitere 8.000 EUR geboten. Die Beeinflussung ging aber bekanntlich schief.
Für diese 2 Vergehen verurteilte die vorsitzende Richterin Gerti Kramer Karl zu 9 Monaten auf Bewährung und 50 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Strafmildernd sah die Richterin Karls „von Reue getragenes“ Geständnis, eine günstige Sozialprognose und die Geburt von Karls Tochter im September an. Eingestellt wurde das Verfahren dagegen in den Punkten der Manipulationsanstiftung von Torwart Georg Koch und die Beeinflussung der Begegnungen CFC - Dynamo Dresden sowie Dortmund/A. - CFC. Trotzdem wird Karl wenige Tage später gegen dieses Urteil in Revision gehen.
Noch nicht raus aus der Wettgeschichte ist Torsten Bittermann. Seine angebliche Vermittlerrolle zwischen Sapina und diversen Fußballspielern soll noch geklärt werden.

22. Dezember 2005 – Der DFB reagiert auf das Karl-Urteil und sperrt den Spieler, der im Kader des VfB Fortuna Chemnitz steht, für 8 Monate. Ein bitteres Strafmaß für die Chemnitztaler, denen in der Rückrunde ein guter Torschütze und Abwehrorganisator fehlen wird. Allerdings kommt die DFB-Entscheidung auch nicht überraschend, den bereits im Juli 2005 hatte der DFB-Kontraollausschuss Vorsperren u.a. gegen Karl beantragt.

19. Januar 2006 - Robert Hoyzer kehrt zurück auf der Fußballbühne – nicht als Schiedsrichter, sondern als Spieler. Für die SG Lichtenrade Nord wird der 26-jährige ab der Rückrunde die „Töppen“ schnüren. Das berichtet das „Handelsblatt“. Allerdings spielt Hoyzer mit seinem neuen Verein in einer Kirchenliga, denn der DFB hatte Hoyzer lebenslang ausgeschlossen, so dass er nicht an einem „normalen“ Spielbetrieb teilnehmen darf.
Robert Hoyzer war vor genau einem Jahr Auslöser der als „Hoyzer-Skandal“ in die Fußballgeschichtsbücher eingegangenen Betrugskampagne. Nach der Verurteilung durch das Berliner Landgericht zu 2 Jahren und 5 Monaten Haft hatte sein Anwalt Revision eingelegt. Voraussichtlich erst Ende 2006 wird der Bundesgerichtshof in Leipzig entschieden haben, ob das Verfahren neu aufgerollt wird.

(Vorläufiges) Ende.

Zum 1. Teil - Unter Verdacht...
Zum 2. Teil - Mitten drin, statt nur dabei...