Das Ende einer Ära

07.10.2013 von Pierre Schönfeld (Charlie S.)
Ende! Aus! Vorbei! Gerd Schädlich ist nicht mehr Trainer des Chemnitzer FC.

Was vor Wochen noch undenkbar erschien, ist seit Sonntag 16 Uhr Gewißheit - der dienstälteste Übungsleiter der Himmelblauen ist zurückgetreten. Da war noch alles in Ordnung - Gerd Schädlich und Karsten Kolliski bei der MannschaftspräsentationDie 90 Minuten zuvor müssen dem 60jährigen wie eine Demütigung vorgekommen sein, erst durch seine Mannschaft, die sich vom Tabellensiebzehnten aus Münster wie eine Schülermannschaft vorführen liess, dann vom Publikum, welches sich ob des Dramas auf dem grünen Rasen in Sarkasmus, La Ola-Wellen und "Oh wie ist das schön"-Sprechchören flüchtete. "Schädlich raus"-Rufe hingegen waren nicht zu hören, was das feine Gespür der Zuschauer zeigt, wo der Chemnitzer Hase im Pfeffer liegt.
Wie sehr die unwürdige Situation dem erfahrenen Trainer unter die Haut ging, zeigen die bewegenden Szenen auf der anschliessenden Pressekonferenz auf der Gerd Schädlich seinen Rücktritt verkündete. Da sprach er vom "Tüpfelchen auf dem i" und "unglücklichen Geschehnissen in den letzten Wochen". Was er wohl meinte ist, dass die Mannschaft ihn, den sportlich Verantwortlichen, mit ihrem desaströsen Auftritt gnadenlos im Stich gelassen hat. Dass er als erfahrener Coach es aber auch nicht geschafft hat, eine Mannschaft auf den Platz zu stellen, die den hohen Erwartungen gerecht wird oder wenigstens gegen eine Mannschaft wie Münster auf heimischen Geläuf halbwegs dagegenhält.

Mit dem Abgang von Gerd Schädlich geht eine Ära im Chemnitzer Fußball zu Ende. Über 5 Jahre saß der gebürtige Rodewischer auf der himmelblauen Trainerbank, war nach turbulenten Jahren und stetig wechselnden Übungsleitern Symbol einer kontinuierlichen positiven Entwicklung des Vereins. Erst im August löste er Hans Meyer als bislang längsten CFC-Trainer im Amt ab.

Als er im August 2008 im Doppelpack mit Emmerich nach Chemnitz kam, war die Skepsis der himmelblauen Fangemeinde gegenüber den beiden ehemaligen Schachtarbeitern groß. Wobei dem Spieler Emmerich mehr Vorbehalte entgegengebracht wurden, als dem für seine erfolgreiche Arbeit unter Tage und in Zwickau auch in Chemnitz geschätzten Gerd Schädlich. Die Skepsis wurde noch größer als sich der CFC unter Schädlich nach den ersten Spieltagen der Saison 2008/09 und Pleiten unter anderem gegen Altona und Türkiyemspor auf einem Abstiegsrang wiederfand. Am Ende der Saison wurde der CFC solider Siebter, im Sachsenpokal war allerdings bereits im Viertelfinale Schluss und im DFB-Pokal scheiterte man in der ersten Runde gegen die TSG Hoffenheim.
Gerd Schädlich nach dem geschafften AufstiegBesser lief es da bereits im zweiten Amtsjahr, mit den Verpflichtungen von Ronny Garbuschewski, Andreas Richter und Philipp Pentke gelangen Glücksgriffe. Zudem sorgte ein Nachwuchsmann mit dem Namen Chris Löwe für Furore. Der CFC wurde am Ende Dritter, nur Babelsberg und der Nachwuchs der Wölfe waren besser. Dafür spielten die Himmelblauen im Sachsenpokal groß auf, legendär waren das Halbfinale als Dynamo Dresden unter Flutlicht bezwungen wurde und natürlich das Finale als dem Zweitliga-Aufsteiger aus dem Schacht mit 3:2 die Grenzen aufgezeigt wurden.
Die Krönung schliesslich schaffte Gerd Schädlich in seinem dritten Jahr als Chefcoach. Den favorisierten Dosenclub aus LE wurde die lange Nase gezeigt und mit 7 Punkten Vorsprung auf Wolfsburg und 18 (!) Zählern auf das Getränkekombinat von Fuschl am See/Fililale Leipzig der souveräne Aufstieg geschafft. Das das Double ausgerechnet gg. RB nicht klappen sollte, war am Ende nur eine unschöne Randnotiz.
Als die himmelblauen Fans damals im Mai 2011 auf dem heiligen Rasen den Aufstieg in die dritte Liga feierten, war Gerd Schädlich gedanklich schon weiter, sprach von der Mission 2. Bundesliga. Und fast hätte es zum Durchmarsch gelangt, als der CFC am 32. Spieltag mit einem 2:0 beim späteren Aufsteiger aus Aalen den Relegationsplatz erklomm. Dass es am Ende nicht gelang, war einem geradezu unfassbaren Leistungsabfall in den letzten Spielen der Saison zu verdanken, als nach Aalen plötzlich gar nichts mehr ging. Von fünf Spielen gingen vier verloren, darunter das entscheidende beim direkten Konkurrenten und späteren Aufsteiger aus Regensburg. Nur mit Mühe gewann man das Sachsenpokalfinale gegen den Sechstligisten aus Hohenstein Ernstthal. Eine Riesenchance war leichtfertig verspielt, die Frage nach dem "warum" musste sich damals auch Trainer Gerd Schädlich gefallen lassen.
Die fünfte Amtszeit von Gerd Schädlich schliesslich brachte einen soliden sechsten Platz in der Liga und eine herbe Enttäuschung im Pokal. Im Finale liess sich die Mannschaft vom FC Dose nach allen Regeln der Kunst vorführen und wurde mit 4:2 aus dem Zentralstadion geschossen. Auch hier gab es keine befriedigende Antwort auf das "warum".

Mit dem Abgang von Gerd Schädlich geht eine Ära zu Ende Trotz dieser Enttäuschung war die Stimmung vor der Saison ausgesprochen positiv. Das Thema Stadionbau ging trotz aller Hürden voran und es wurde eine Mannschaft zusammengestellt, die Großes versprach. Insbesondere auf Rückkehrer Ronny Garbuschewski, dem zweitligaerfahrenen Marc Hensel und Burghausens Kapitän Josef Cinar ruhte die Hoffnung. Die ernüchternde Bilanz nach 12 Spieltagen - anstatt um den Platz an der Sonne mitzuspielen, dümpeln die Himmelblauen in den niederen Regionen der Tabelle herum, gerade mal drei Spiele konnten überhaupt gewonnen werden. Im Angriff und Mittelfeld fehlen Durchschlagskraft und Effizienz, in der Abwehr führen immer wieder einfache Fehler zu schnellen Gegentoren. Eine Idee, wie man den Gegner knacken kann war auf dem Feld oft nicht zu erkennen. Zudem fehlt die Konstanz - guten Leistungen folgen oft merkwürdige Leistungsabfälle. Insgesamt zu wenig für diesen Kader und für die Ansprüche eines Gerd Schädlich. Ob er das Ruder auch nach dieser brutalen Pleite gegen Münster rumgerissen hätte, werden wir nicht erfahren. Leider. Denn die Konstanz auf dem Trainerposten hatte dem Verein in den letzten Jahren insgesamt sehr gut getan.
Man kann nur spekulieren, warum es am Ende offenkundig nicht mehr zwischen Mannschaft und dem manchmal bärbeißig wirkenden Trainer-Urgestein funktionierte. Man hört von Grüppchenbildung, unprofessionellem Verhalten einiger Spieler und dem einen oder anderen soll die raue und direkte Art von Gerd Schädlich nicht schmecken. Wie dem auch sei, Münster war ein Armutszeugnis für die auf dem Platz - weniger für die daneben. Und der eine oder andere sollte darüber nachdenken, ob er als professioneller Fussballspieler wirklich den richtigen Job hat.

Vielen Dank für Alles, Gerd! Dafür, dass Du unsere Himmelblauen aus den Niederungen der vierten Liga geholt hast. Danke für zwei Siege im Sachsenpokal. Danke für deine ehrliche, geradlinige Art. Gerade im Abgang zeigt sich die Größe eines Trainers. Du hast in der Stunde der größten Enttäuschung die Verantwortung übernommen - dafür und für das Geleistete verdienst Du größten Respekt! Alles Gute für Dich und Deine Familie!

Der CFC wird sich nun einen neuen Chefcoach suchen müssen. Egal wer es am Ende werden wird - er wird in große Fußstapfen treten.