Das Auf und Ab himmelblauer Gefühle

01.01.2009 von Erik Büttner (Herb)

Burki mit Zigarette
Verloren in Sangerhausen: CFC-Masseur Burkhard „Burki“ Wind braucht erst mal eine Zigarette, um das zu verdauen.

Schiedsrichter zeigt einem Eilenburger Spieler gelb - im Hintergrund sitzt Tino Vogel auf der Trainerbank
Gelb gab es für Ex-CFC-Trainer Tino Vogel (sitzend Bildmitte) nicht erst. Nach der Niederlage bei Schlusslicht Sangerhausen folgte nach 380 Amtstagen bei den Himmelblauen der sofortige Platzverweis.

Christoph Franke auf dem Spielfeld im Visir einer TV-Kamera
Kam, sah und siegte: Christoph Franke übernahm noch einmal die Trainingsleitung bis Saisonende und sicherte mit einer guten Bilanz dem CFC die Regionalliga und den Sachsenpokal.

Siegesfeier nach dem Pokalsieg
Ein Feuerwerk brannte der CFC im Pokalendspiel gegen den FC Sachsen Leipzig zwar nicht ab, dennoch blieb der Pott verdient in Chemnitz

Plakat: Der ruhmreiche FCK zu Gast bei Bauern
Ab Sommer, mit der Regionalligaqualifikation war die 2-jährige Tour über die „Dörfer“ endlich zu Ende.

Plakat mit Steffen Kellig und Jörg Emmerich: ...dann zieh unser Trikot aus.
Neuer Mannschaftskamerad für Steffen Kellig: „...dann zieh unser Trikot an“, hieß es für den mit Aue abgestiegenen Jörg Emmerich in der Sommerpause.

Zuschauer der Auslosung mit hängendem Kopf
Trotz hängender Köpfe bei der Auslosung sahen dann doch über 6.700 Zuschauer ein interessantes und spannendes DFB-Pokal-Spiel gegen Hoffenheim.

Skeptischer Gerd SChädlich auf dem Spielfeld
Der neue CFC-Trainer Gerd Schädlich hatte einige Male Grund die Leistung seiner Mannschaft kritisch zu beäugen.

CFC-Spieler auf der Draisine
Traditionell brachte ein Chemnitzer Sportverein die Draisine des Straßenbahnmuseums zum Stadtfest, 2008 war der CFC an der Reihe.

Plakatwände an der Fischerwiese mit dem CFC-Motiv
Auch 2008 schmückte das Einsiedler Brauhaus wieder Stadt und Umland mit hübschen CFC-Plakaten.

Aufstellung der Mannschaften vor dem Anpfiff
Fast-Geisterspiel gegen Hannover 96 II vor leeren Stehplatzrängen auf der Fischerwiese.

Benjamin Förster bei Jubelschrei
Benjamin Förster traf in der Nachspielzeit zum Ausgleich gegen Wilhelmshaven und ließ seinen Emotionen freien Lauf...

„Menschen, Bilder, Emotionen“ heißt es, wenn das Fernsehen auf ein Jahr zurückschaut. Dem schließt sich die CFC-Fanpage an und blickt auf ein himmelblaues Jahr zurück, das von einer ungewöhnlichen Berg- und Talfahrt an Gefühlen geprägt war: Euphorie wechselte mit Enttäuschung, Wut mit Jubel, Ärger mit Freude. Lassen wir gemeinsam diese Momente noch einmal kurz aufleben...

Das Jahr 2008 begann mit einer kleinen Erfolgswoge. Der Chemnitzer FC angelte sich vor eignem Publikum gegen den Noch-Zweitligisten Jena und den sächsischen Rivalen aus Dresden den Casino-Cup und Marcel Schlossers direkt verwandelte Ecke gegen Meuselwitz wurde Dank himmelblauer „Stimmgewalt“ Tor des Monats Dezember. Beim Tor des Jahres reichte es dann leider nur zu Rang 4. Diese Nachricht erhielt Schlosser im Trainingslager in Antalya. Dort, an der türkischen Riviera gab es auch den ersten kleinen Knacks für die himmelblaue Seele. Anton Müller zog sich einen Schien- und Wadenbeinbruch zu, seine Genesung sollte sich bis in den frühen Herbst hinziehen. Ein wenig Ersatz versprach die Verpflichtung von Benjamin Boltze aus Dresden. Für ihn aber musste Bakary Sinaba nach Pößneck gehen, was einiges Unverständnis unter den CFC-Anhängern auslöste.

Doch die Wogen hatten sich längst geglättet, als am 24. Februar zum Rückrundenstart geblasen wurde. Der CFC siegte 3:2 in Halberstadt und die Welt war in Ordnung. Doch schnell zog wieder Sturm über Chemnitz auf. Der kam zunächst in Tief „Emma“ und blies der Fischerwiese einige Teile vom Dach, so dass das Heimspiel gegen Halle verschoben werden musste. Unter Flutlicht und im Regen verflogen dann auch noch 3 wichtige Punkte (0:1). Halle setzte zum Höhenflug an, der in der Meisterschaft endete. Für den CFC begann eine Phase der Ernüchterung. Inklusive der Partie gegen den HFC gab es in 8 Ligaspielen nur 2 Siege, dafür 3 Niederlagen. Mit dem verlorenen Spiel beim Tabellenletzten Sangerhausen war dann der Tiefpunkt erreicht und Maßnahmen folgten. CFC-Übungsleiter Tino Vogel flog – da half ihm auch der Glanzpunkt dieser Tage, der Sachsenpokalhalbfinalsieg gegen Dynamo Dresden (2:0) vor 6.700 Zuschauern auf der Fischerwiese, nicht.

Doch die Wut über die Sangerhäuser Niederlage wurde schnell von Euphorie überflügelt, als bekannt wurde, dass CFC-Held Christoph Franke nochmals das himmelblaue Ruder übernehmen würde. Einem noch rumpligen Sieg gegen Zwickau (2:0) folgte mit dem Pokalsieg über Sachsen Leipzig (1:0) der Höhepunkt des Jahres und der Auftakt einer rauschenden Partyzeit. Jeder Anlass war zum Feiern willkommen. Der Pokalsieg, die vorzeitige Qualifikation für die Regionalliga gegen Auerbach (0:0), der Saisonabschluss mit dem 5:0 über Herbstmeister Borea Dresden. Da störte auch nicht, dass zwei fussballfremde, frustrierte Chaoten vor dem Borea-Spiel den VIP-Bereich auf den Kopf gestellt hatten.
Doch als CFC-Chef Matthias Hänel noch auf der Pressekonferenz des Boreas-Spiels verkündete, dass dem CFC 150.000 EUR für den Etat der Regionalligaspielzeit fehlen würden, dämpfte das die Partylaune gewaltig. Aber die Chemnitz-Fans ließen Taten folgen. Über 30.000 EUR wurden zusammen gesammelt, selbst die Ultras 99 unterschrieben einen Sponsoringvertrag und die Stadt steuerte über Tochterunternehmen den Rest bei. Wieder war die himmelblaue Welt gerettet.

Allerdings schlug nun einigen CFC-Anhängern die himmelblaue Personalpolitik auf den Magen. Dass mit Gerd Schädlich ein ehemaliger Ex-Auer neuer Trainer in Chemnitz wurde, war ja schon schlimm genug, aber aufgrund seiner Chemnitzer Wurzeln noch hinnehmbar. Dass er aber mit Jörg Emmerich und Hendrik Liebers auch noch 2 Spieler im Schlepptau hatte, brachte bei einigen hartgesottenen das Fass zum Überlaufen. Aber zumindest konnten sich ältere Fans noch erinnern, dass Hendrik Liebers in der Saison 98/99 zum Wiederaufstieg des CFC in die 2. Liga beigetragen hatte.

Doch zunächst stand die Europameisterschaft an. Auch die hielt aus deutscher Sicht ein Wechselbad der Gefühle bereit. Dem überzeugenden Sieg über Polen folgte Ernüchterung gegen Kroatien und Bangen gegen Österreich. Der Galasieg über Portugal im Viertelfinale ebnete den Weg zur denkwürdigsten Partien der Euro 2008. Das Spiel gegen die Türkei bot schon allein genug Zündstoff, doch dann legte ein Gewitter über dem Wiener Sendezentrum das Bild auf den Großbildleinwänden und Fernsehgeräten der Republik lahm. Das geniale Handeln eines ZDF-Technikers machte Deutschland wieder zu Zuschauern und ZDF-Kommentator Bela Rethy zum Hellseher der Nation. Denn er wusste aufgrund von Bildverzögerungen schon jeweils ein paar Sekunden früher von Kloses Führungstreffer, dem türkischen Ausgleich und schließlich Lahms Treffer zum Finale in der Nachspielzeit. Das Finale selbst bot dann nicht mehr, als die traurige Erkenntnis, dass deutsches Glück auch endlich ist.

Ein bisschen Glück fehlte dem CFC auch eine Woche nach dem EM-Finale, als die Begegnungen für die 1. DFB-Pokal-Runde ausgelost wurden. Ex-Nationalspielerin Steffi Jones bescherte den Himmelblauen mit der TSG Hoffenheim eines der undankbarsten Lose und bei den Fans lange Gesichter. Damals konnte noch keiner ahnen, dass sich in Chemnitz der künftige Bundesliga-Herbstmeister vorstellen würde und das achtbare 0:1 gegen die TSG noch einmal höher bewertet werden konnte.

Doch alles Schulterklopfen nach dem Pokalspiel war Makulatur, weil der CFC die bravouröse kämpferische Leistung des Pokalspiels nicht in die Liga mitnahm. Zum Saisonstart gegen Cottbus II reichte es vor über 3.000 au der Fischerwiese nur zu einem 1:1 – Cottbus ist heute Tabellenschlusslicht. Die Enttäuschung wurde noch größer, als auch die Partien in Altona (3:4) und vor allem zu Hause gegen Türkiyemspor (1:2) in die Hose gingen. Doch der Groll über die sportliche Misere war in diesen Tagen nur Nebenkriegsschauplatz. Denn schon vor der Partie hatten Berliner Moralisten ein besonderes Augenmerk auf diese Partie gelegt und spitzten fleißig die Ohren und Stifte, als ihre Vorurteile durch eine größtenteils CFC-ferne Gruppe von Rassisten mit Türkei-feindlichen Sprüchen und Klamotten bestätigt wurden. Die CFC-Anhänger wurden vom DFB in Sippenhaft genommen; es erging folgendes Urteil: Der Chemnitzer FC muss 5.000 EUR Strafe bezahlen und darf zur kommenden Partie gegen Hannover 96 II maximal 1.000 Zuschauern Einlass gewähren. Die himmelblaue Anhängerschar machte das Beste aus den Umständen, funktionierte zum Spiel gegen die 96-Bubis die Tribünensitzplätze zur Südkurve um und alle, die nicht ins Stadion konnten (oder aufgrund der Eintrittspreise nicht wollten), verfolgten in der Fanhalle mithilfe des MDRs und Sachsenfernsehens das wenig sehenswerte 1:1 auf einer Leinwand.

Ein klein wenig Freude bereitete in jenen Tagen nur die Verpflichtung von Frank Gerster als besonnenen Lenker und Denker im Mittelfeld, der überraschende 4:0-Sieg in Rostock sowie der Sieg im Sachsenpokal beim VfB Fortuna Chemnitz. Über 1.500 Zuschauer in und außerhalb des Stadions sahen ein eher hölzernes Spiel des CFC, was aber trotzdem zu einem soliden 5:1 genügte. Nicht anders war es in der nächsten Runde in Freiberg. Auch hier blieb Chemnitz vor knapp 2.000 Kiebitzen einiges schuldig, gewann jedoch souverän mit 4:0.
Was die eh schon angeknackste Mannschaft schließlich entgültig aus dem Tritt brachte, waren teils unglaubliche Spielverschiebungen. Den Auftakt bildeten 2 Absagen in Oberneuland, weil plötzlich in ganz Bremen kein regionalligataugliches Stadion aufzutreiben war. Unglücklich dann die Verschiebung in Kiel, weil der Platz nach tagelangem Regen unter Wasser stand. Chemnitz ging beim Nachholespiel baden, verlor 1:2 und war wieder in der Abstiegszone angekommen. Das blieb auch so beim couragierten, aber glücklosen Spiel gegen Babelsberg (1:2). Zu dem verletzte sich Hoffnungsträger Frank Gerster schwer am Knie. Die Stimmung war wieder am Boden; die Wut richtete sich vor allem - oft auch grundlos - gegen die Neulinge aus dem Erzgebirge.

Doch große Herbstdepressionen blieben aus, da die Himmelblauen endlich in Fahrt kamen. Den Auftakt bildete das 1:1 beim Spitzenteam in Halle. Es folgten 5 weitere ungeschlagene Spiele mit 4 Siegen, darunter überraschende wie das 2:1 bei Hertha II und das 4:0 in Plauen sowie wichtige Siege wie gegen den HSV II (1:0) und gegen Sachsen Leipzig (2:1). Da störten diesmal auch neuerliche Spielverlegungen nicht. Im Gegenteil, gerade der Kraftakt um die eingeschneite Fischerwiese für die Partie gegen Leipzig bespielbar zu machen, schweißte Verein und Fans wieder ein wenig mehr zusammen.
Doch leider fand die Serie der 6 Spiele ohne Niederlage ein Ende und es folgte bis zum Jahresende eine neuerliche Gefühlsachterbahn. Sorgten die beiden Auswärtsspiele in Lübeck (0:1) und vor allem Magdeburg (1:4) für eine gehörige Portion Niedergeschlagenheit, so kam der Ausgleichstreffer in der Nachspielzeit gegen Wilhelmshaven (1:1) einen gefühlten Sieg gleich. 3 Punkte gab es dann zum Jahresausklang in Cottbus (2:0), was allerdings beim Tabellenletzten nicht hätte anders sein dürfen.
So wurden die positiven Nachrichten des Jahresendes auch sportlich veredelt. Denn in den letzten Tagen des Jahres hatte der Chemnitzer FC nicht nur mit dem Fanclub „Rollender Mob“ und der Aufnahme der Blindenfußballmannschaft im Alltagsleben benachteiligten Menschen eine neue Heimat geboten. Auch die von CFC-Chef Hänel verkündete Fördermittelzusage für den Ausbau der Fischerwiese sorgte für schließlich wieder gute Stimmung unterm himmelblauen Weihnachtsbaum.

Doch was mag das neue Jahr nun den Himmelblauen und ihren Anhängern bringen? Unumstritten ist, dass die aktuelle sportliche Lage sich deutlich verbessern muss. 6 Punkte trennen Chemnitz von einem Abstiegsplatz. Doch der bloße Klassenerhalt kann nicht das Ziel des CFC sein. Im Blick sollten die Schädlich-Schützlinge einen Platz oberhalb Rang 10 haben. Dazu steht natürlich auch die Verteidigung des Sachsenpokals auf der Aufgabenliste ganz oben. Die Umsetzungschancen dieser Ziele sind nicht schlecht, schließlich kehren mit Yakubu Adamu und Frank Gerster 2 wichtige Stützen in die Mannschaft zurück. So könnte sich der CFC mit viel Fleiß und dem Glück des Tüchtigen noch schönen Frühling bereiten.
Wirtschaftlich wird es der Verein sicher wieder schwer haben. Doch die Strukturen und leitenden Personen sind gefestigt, zudem kann mit dem Stadionausbau ein positives Zeichen gesetzt werden.
Hoffen wir also auf ein ähnlich emotionales Jahr, wie es das alte war. Denn auch wegen Gefühlen wie nach beim 1:1-Ausgleich gegen Wilhelmshaven gehen wir auf die Fischerwiese. Nur mit Enttäuschung, Wut und Trauer dürfen uns die Himmelblauen sparsamer bedenken - dafür aber gern mit mehr Freude, Jubel und der Chance, auf Erfolge anzustoßen...


12 Fakten des Jahres 2008

Der CFC bestritt 34 Liga-, 4 Sachsenpokal- und 1 DFB-Pokalspiel.

In der Liga gewann Chemnitz 14 Partien, verlor 10 Mal und spielte 10 Mal remis.

53 Ligatore konnten die CFC-Anhänger bejubeln, 36 Mal mussten die himmelblauen Torhüter den Ball aus dem Netz holen.

Die 4 Sachsenpokalspiele gewannen die Himmelblauen alle, einschließlich des Pokalfinales der Vorsaison, schoss dabei 12 Tore und kassierte nur eines.

Das DFB-Pokalspiel ging leider knapp mit 0:1 verloren.

In der Liga konnte Chemnitz nie mehr als 2 Spiele in Serie gewinnen, verlor höchsten 3 mal in Folge.

Über die Saisongrenzen hinweg blieb der CFC vom Spiel gegen Zwickau bis zur Partie gegen Cottbus II 8 Mal in Folge ungeschlagen. Am längesten sieglos blieben die Himmelblauen in den 5 Spielen vom Geisterspiel gegen Hannover II bis zum Remis in Halle.

13 Ligabegegnungen fanden samstags statt, 14 am Sonntag, 2 am Dienstag und 4 mittwochs.

Von den Sachsenpokalpartien fanden je 1 am Samstag und Sonntag statt, 2 mittwochs. Hinzu kommt ein DFB-Pokalspiel an einem Sonntag.

Die 18 Ligabegegnungen sahen insgesamt 46.496 Zuschauer, im Schnitt 2583 pro Spiel.

Die beiden Sachsenpokalheimspiele interessierten in Summe 14450 Besucher, das DFB-Pokalspiel sahen 6758 Zuschauer.

3 Mal gingen himmelblaue Spieler vorzeitig vom Feld, jedoch in allen 3 Fällen in laufenden Saison.