Fansorten (m.I.)

04.12.2001 von dFT
Aus dem zuletzt immer mal Thema gewesenem F95-Forum:

"Wer erkennt sich in dem Artikel aus dem Eulenspiegel wieder ?

Der 12. Mann

Typen hinterm Tor

Fußballfans sind wie Tiere«, sagte einst ein englischer Minister. Eine treffende Analyse. Doch Fußballfans sind noch weit mehr als das. Fußballfans sind launisch und unberechenbar, unfair und gottlos, verwildert und roh. Nach WM-Qualifikation und Herbstmeisterschaft ist Zeit für eine soziologische Stippvisite in den Stadien der Männerfreundschaften. Und dabei zeigt sich: Nicht alle sind Ballermänner mit Torschußpanik...

Der Seher

Ihm kann man nichts vormachen. Er kennt alle Bundesliga-Spieler seit 1963, das Torverhältnis von Tasmania Berlin im Jahre 1970, die Ehrenspielführer der Nationalelf und natürlich auch die Rasensorte auf dem Betzenberg in Kaiserslautern. Und deshalb weiß er auch alles vorher. »Der geht rein«, verkündet er mit Expertenstimme den anderen Fans auf der Tribüne, als sich der Linksaußen des Gegners den Ball zurechtlegt. Zwanzig Meter vor dem Tor, gefährliche Situation. Doch der Ball geht drüber, weit sogar. »War klar«, sagt er laut. Dann gibt es Elfmeter für die Heimmannschaft. »Den verschießt er«, sagt der Seher. Der Torwart springt nach rechts, der Ball schlägt links ein. »War klar«, sagt er wieder. Kurz vor Spielende verläßt er den Block, um nicht in den Stau zu geraten. Zum Abschied grüßt er noch einmal in die Runde, aber keiner grüßt zurück. War klar.

Die Gang

Vor dem Spiel stehen sie am Aufgang zum Fanblock. Sie heißen Rotzer, Sixpack, Pomo und Ficki. Alles reizende Burschen, außer man trifft sie einzeln oder in der Gruppe. Jeder Fan, der kleiner ist oder eine Brille trägt, bekommt einen Klaps auf den Hinterkopf. Einer muß seinen Fanschal abgeben, obwohl er ihn gerade neu hat. Jetzt hat Pomo ihn neu. Unter der Woche trifft man Rotzer und Sixpack vor dem Jugendgericht, im Publikum bei »Vera am Mittag« und als Rausschmeißer in Spielotheken. Ficki macht als einziger eine Lehre beim örtlichen Bordellbetreiber. In der Halbzeit holt Pomo dann Bier für alle. Weil es auf der Tribüne eng ist, schubst er die Umstehenden. Pech, daß einer von denen Nahkampfexperte ist, zehn Jahre Bundeswehr und jede Menge asiatische Gürtel. Jetzt hat Pomo Angst. Und der Nahkampfexperte einen neuen Schal.

Der Logenbesucher

Er sitzt bequem, im gepolsterten Sessel mit Armlehnen und freundlichen Servierdamen. Noch einen Prosecco? Aber sehr gerne, schmeckt fabelhaft zum Lachshäppchen. Dabei haßt er Fußball eigentlich, diesen dämlichen Proletensport. Aber der Chef geht immer hin und der Hundesohn Schneider aus dem Controlling auch. Da heißt es am Ball bleiben, wenn es was mit der Abteilungsleitung werden soll. Von Fußball hat er keine Ahnung. Warum laufen jetzt alle in eine Richtung? Und wer ist der Mann in Schwarz? Plötzlich jubelt der Chef. Vorsichtshalber einfach auch jubeln. Aber wie peinlich, der Chef hat sich gar nicht gefreut, sondern derbe geflucht und schaut jetzt böse herüber. Neben ihm sitzt Schneider aus dem Controlling, grinst hämisch und bestellt noch einen Prosecco für den Chef.

Die Legende

Alle kennen ihn. Er war schon immer da, und seine Taten sind Legende. Er hat einem Linienrichter die Fahne gestohlen. Er hat mit einer Beamtin des Bundesgrenzschutzes auf dem Bahnsteig Walzer getanzt. Er ist zum Auswärtsspiel dreihundert Kilometer mit dem Taxi gefahren. Er hat einem Motorradpolizisten den Helm geklaut. Er hat nach dem Auswärtsspiel in München die Kapelle im Hofbräuhaus dirigiert. Er hat schon mal eine Wespe gegessen. Er hat in einer Autobahnraststätte eine Porzellankuh aus dem Schaufenster entwendet. Er kann sich übergeben und gleichzeitig Bier trinken. Er ist eine Legende. Wie er mit Vornamen heißt, weiß keiner.

Der Intellektuelle

Er geht nur hin und wieder zum Fußball. Nie würde er einen Schal tragen oder eine Fahne schwenken, denn die Masse widert ihn an. Der Intellektuelle ist wegen des Fußballs hier. Der Bessere möge gewinnen, sagt er und schiebt seine Brille hoch. Ist schließlich nur ein Spiel, wer wird sich da künstlich aufregen? Er jedenfalls nicht. Aber gerade eben, bei aller Fairneß, das war doch ein Foul, ein glasklares Foul sogar. Und der Schiedsrichter pfeift nicht. Ist doch nicht zu fassen. Diese blinde Sau. Ist wohl bestochen. Aber natürlich ist der bestochen. Los, rauf auf den Zaun, wie die anderen. Und jetzt alle: »Schieber, Schieber!« Erst nach fünf Minuten klettert er wieder vom Zaun. Ist doch wahr. Abends trifft er sich dann mit seiner Lesegruppe. Kafkas Briefe, spannendes Thema. Ludger, Svenja und Iris sind schon da und schauen so komisch. Dann sagt Svenja tonlos: »Du bist beim Fußball gesehen worden«, und wiederholt es noch mal: »Beim Fußball!« Er wird bleich. In der Lesegruppe kann er nicht bleiben, soviel ist klar. An der Tür drückt ihm Ludger noch einmal wortlos die Hand.

Der Schamane

An Spieltagen klingelt schon früh um sieben sein Wecker. Im Badezimmer murmelt er vor dem Spiegel beschwörend den Wortlaut von Ernst Hubertys Sportschau-Kommentar aus der Meistersaison 1977. Dann geht er in sein Zimmer und steckt Nadeln in ein Stoffpüppchen, auf daß der Mittelstürmer des Gegners plötzlich unerklärliche Schmerzen im Standbein hat. Um halb drei geht er zum Stadion, immer auf der linken Straßenseite, das brachte beim letzten Heimspiel Glück. Und in der Pause bringt er dem Fußballgott ein Bratwurstopfer mit Senf. Es wirkt vortrefflich, die Mannschaft gewinnt am Ende, er kommt nach Hause und verkündet seiner Freundin: »Wir haben gewonnen!« Die lächelt indigniert und sagt: »Wieso wir? Hast du mitgespielt?« Er holt wieder sein Stoffpüppchen hervor und die dicken Stopfnadeln. In dieser Nacht wird die Freundin schlecht schlafen.

Die treue Seele

Er hat seinem Club schon alles verziehen. Daß sie für viel Geld diesen einbeinigen argentinischen Mittelstürmer verpflichtet haben. Daß sie einen Manager eingestellt haben, der bereits wegen Anlagebetrugs steckbrieflich gesucht wurde. Und daß sie jetzt schon wieder abgestiegen sind. Alles halb so wild. Aber dann war da dieser Sonntag im November. Er war mitgefahren, zum Auswärtsspiel in der Regionalliga Nord gegen Lübeck. Seine Mannschaft hatte schlecht gespielt und zur Halbzeit hatte es angefangen aus Kübeln zu regnen. Dann waren auch die Bratwürstchen alle und das Bier alkoholfrei. Er fror erbärmlich. Schlußpfiff, das Spiel verloren, bloß schnell zum Parkplatz. Doch dann sprang sein Auto nicht an. Ein Hooligan mit höchstens drei Zähnen und gekonnt selbst gestochenem Tattoo »Alles Schlampen außer Mutti« gab ihm Starthilfe. »Nie wieder«, schwor er sich grimmig auf der Heimfahrt. Und er hat es eisern durchgehalten. Bis zum nächsten Samstag.

Philipp Köster"

Na los, outet euch, wer übernimmt hier welche Rolle? Ernsthaft, trifft diese Eulenspiegel - Satire nicht wirklich mehr oder weniger auf jede Fan-Horde zu? Und macht nicht grad dieser Schmelztigel der unterschiedlichsten Herkünfte den Fußball zum Volkssport, den auch G14, DFB und UEFA niemals totreformieren können, weil der Fußball dann eben einfach wieder von unten neu beginnt?

hbg, das Faultier.

PS: Das m.I. im Betreff steht für: mit Inhalt! *g*